Bios
dabei war sie bloß ein gottverdammter Testpilot.«
Dieter Franklin nickte bedächtig. »Testpilot für den neuen Außenanzug. Wie Elam vermutete.«
»Elam hat es geahnt. Aber ich wusste es.«
Franklin schwieg. Hayes versuchte, sich auf seinen Biopanzer zu konzentrieren, werkelte sich durch die Prozeduren, versiegelte die Brustbänder aus pneumostatischem Kunststoff. Er wünschte, Elam wäre da und könnte mit ihm die Checkliste durchgehen.
»Sie wussten es?«
»Ich habe alle D&P-Memos gesehen. Kurze Kommunikees an den Yambuku-Manager. Keine Einzelheiten, aber so viel, dass ich hätte merken müssen, dass nur ihr Equipment zählt. Sie war ein gottverdammter Testpilot, Dieter, und ich hab sie da rausgehen lassen in ihrer ganzen glorreichen Naivität.«
»Überleg doch mal. Das Equipment ist gut, aber nicht unzerstörbar. Wer sagt uns, dass sie noch am Leben ist?«
Jetzt der weiche Innenhelm. »Sie hat nicht nur den Anzug. Sie selbst ist auch modifiziert, innerlich. Sie verfügt über ein enorm verbessertes Immunsystem. Kann sein, dass wir sie noch lebend bergen können, selbst wenn der Anzug beschädigt ist. Vielleicht überlebt sie ja.«
Dieter Franklin sagte lange nichts.
Dann: »Selbst wenn, Tam. Wir haben schlechte Karten.«
»Ich weiß, dass wir schlechte Karten haben.«
»Weil es schon bald kein Yambuku mehr gibt. Keiner will es wahrhaben. Erst die Laborinsel, jetzt Marburg. Es ist die Biosphäre, Tam, sie entwickelt Strategien, lernt, wie man Dichtungen verdaut, Schleusen zerstört. Mixt aggressive Agenzien und verbreitet die Rezeptur und greift bei Bedarf in die kollektive Trickkiste. Vor fünf Jahren noch war dieser Biopanzer gut genug, um uns zu schützen. Heute… ist er kaum noch zu gebrauchen.«
Hayes aktivierte die Luftschleuse. Über ihren Köpfen begannen die Ventilatoren positiven Druck zu erzeugen. Ein Alarm jaulte. Dieter Franklin nahm Reißaus.
Hayes stülpte den Helm über.
Achtzehn
Schmerz. Sie sah doppelt. Sie wurde über den Boden geschleift, die Stiefelabsätze schlugen hin und her. Entweder habe ich eine Gehirnerschütterung, dachte sie verschwommen, oder schlimmer noch eine Schädelverletzung, von der ich mich nicht mehr erholen werde. Sie roch die unmöglichsten Dinge: schwelendes Gummi, Ammoniak, Fäulnis; und wenn sie die Augen schloss, sah sie Windrädchen und Leuchtfeuer.
Sie ekelte sich schrecklich, wagte aber nicht, sich zu übergeben. Der Anzug würde die Schweinerei zwar verarbeiten, aber vielleicht nicht rasch genug.
Sie war wach oder vielleicht doch nicht: die Besinnung verebbte; die Zeit verlor sich in Böen, wie der Wind.
*
Sie wehrte sich – kurz nur – als sie bemerkte, dass die Gräber sie in einen ihrer Erdhügel schleppten, aus dem Sternenlicht und aus dem Feuerschein heraus in eine steinige klaustrophobische Düsternis.
Der Eingang war eng. Die Gräber streckten ihre widerlich beweglichen Leiber und flutschten einer nach dem anderen hinterher; hilflos, wie sie war, wurde Zoe an den gestreckten Armen über die kantige Schwelle in einen Tunnel geschleift, der von Exkrementen verkrustet war. Ein fremder Gestank hing in der Luft, würzig und faulig zugleich, wie eine Mischung aus Kardamom und Verwesung. Musste sie hier ersticken? In der Dunkelheit?
Zum ersten Mal in ihrem Leben spürte Zoe so etwas wie Panik.
Selbst in den kalten Schlafsälen des Waisenheims hatte sie keine Angst gehabt; der Thymostat hatte jede heftige Emotion unterdrückt und ihr nichts als eine hohle, allgegenwärtige Traurigkeit gelassen, die schmerzliche Gewissheit von Gefangenschaft und Ausgeliefertsein. Was sie jetzt spürte, war schlimmer. Sich zu wehren, war zwecklos, aber sie kam nicht umhin. Der Zwang sich zu wehren löschte das Denken aus, wurde zu einer Wut, die aus dem Fleisch kam. Sie wollte den Schrei unterdrücken, der sich aus ihrer Brust rang, doch die Anstrengung war vergeblich; er brach sich Bahn und wollte kein Ende nehmen, gegen ihren Willen und alle Vernunft. Sie strampelte und bäumte sich in den korallenscharfen Klauen, die ihre Handgelenke und Fesseln umspannten. Aber diese Tiere waren unverschämt stark. Auch der letzte Schimmer von Licht verschwand. Jetzt gab es nur noch Finsternis und zwanghafte Bewegungen und die Enge des Tunnels. Und ihr Schluchzen.
*
Einsam und von Panik entkräftet wachte sie auf.
War sie blind? Nein. Das war nur die Finsternis im Innern eines Erdhügels. Draußen konnte es Mittag oder Mitternacht sein. Hier
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