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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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mag die Vesper, ich Egoist besuche sie mit großem Vergnügen. Wo bleibt dann der Verdienst?
    Es war immer spannend, wie man aufgenommen wird. Nie konnte man sich sicher sein. Ohnehin weiß man am Morgen nie, wie man sich am Abend betten wird. Nicht, daß es mir große Sorgen gemacht hätte. Der Weg ist das Ziel, und an ein anderes Ziel konnte ich ja noch gar nicht denken. Aber am Ende des Tages, dreckig, müde und hungrig, da zwickte es mich immer mit kleinlichen Sorgen um das nächtliche Wohlbefinden. Hier war ich gut aufgehoben. Nicht nur hatte ich alles, was ich zu meinem Komfort brauchte, auch die Schwestern waren sehr gastfreundlich, und es war eine unternehmungslustige katholische Seniorengruppe aus Unterfranken zur Erholung da, die sich über einen eigenen Jakobspilger ehrlich freute. Vielleicht auch deswegen, weil ihre Betreuerin, die Margret hieß und irgendwo aus der Ex-DDR stammte, vor einigen Jahren selbst den ganzen Weg ging. Und darüber erzählte sie oft und viel, wo sich ihr nur die Gelegenheit bot. Mich verwunderte es kein bißchen. Ein Glück war, daß sie als Krankenschwester jede Menge über Blasen und ihre Behandlung wußte und sich meiner Ferse annahm. Diese sah freilich inzwischen sehr schlimm aus. Rohes Fleisch, mehr oder weniger, und keine Anzeichen der Besserung. Ich weiß nicht, wie lange ich damit noch hätte gehen können. Inzwischen bereitete mir jeder Schritt starke Schmerzen. Auch die Knie taten weh, schließlich wurden bei meinem Unfall auch alle möglichen Sehnen gerissen. Damit war nicht zu spaßen, und später traf ich einige Pilger, die wegen Kniegelenkenzündung aufgeben mußten. Sie lehrte mich, was ich brauchte, und ging mit mir am nächsten Tag in die Apotheke einzukaufen. Ich mußte nicht erst überredet werden, hier einen Tag Rast einzulegen. Es war der richtige Ort und auch die richtige Zeit. Ich leistete mir sogar eine richtige Stadtbesichtigung. Es war ein Wochenende, und irgendein Stadtfest fand statt. Überall fröhliche Leute, Musik an jeder Ecke. Jede Kapelle durfte nur eine Stunde spielen, so groß war der Andrang. Gaukler, Mimen, Handwerker und andere Kleinkünstler, Amateure mit teils beachtlichem Niveau. Bei so viel Kreativität kann es noch nicht so schlecht um das Land stehen. Vielleicht gab es am Abend auch verzweifelt Besoffene und Raufereien wie in Niederbayern, aber da schlief ich schon den Schlaf der Gerechten. Es war ein guter Tag. Er läßt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen. [9] Nichts fehlte mir, die Seele paßte wieder zum Körper.
Weitnau, km 360
    In der Frühe, nach Laudes und Frühstück, wurde ich mit großem Pomp von den Senioren und Schwester Johanna auf den Weg gebracht. Pilgerin Margret ging sogar noch ein Stück Weges mit. Sie konnte ja ihre Gruppe nicht im Stich lassen, aber gerne wäre sie bestimmt einfach mitmarschiert. Einen Zettel mit guten Wünschen und Segen drückte sie mir beim Abschied in die Hand: „Gott geht mir dir. Nichts soll dich erschrecken, nichts verwirren. Geh deinen Weg. Wem du auch begegnest, ein freundlicher Blick von dir möge ihn treffen.“ Das half mir über den steilen Marienberg, und ich sah gerne auf das malerische Stadtpanorama von Kempten unter mir zurück. Es waren gerade die Begegnungen mit anderen Menschen, die den Pilgerweg so außergewöhnlich, ja verblüffend machten. Das ist nicht nur so dahin gesagt. Es waren zwar immer nur Einzelne, aber trotzdem, die Menschen unterwegs benahmen sich irgendwie ganz anders, als ich es vom alltäglichen Umgang noch in der Erinnerung hatte. Am Ende dieses Tages, da ich gerade in Weitnau ankam, brach plötzlich ein Platzregen los. Eine Frau lief sogleich aus einem Haus an der Straße, um mich hinein zu bitten. Wie selbstverständlich.
    Ich verzichtete auf die in Führer angepriesene Höhenstrecke mit Blick auf die Alpen. Die Wolken waren ja noch da. Statt dessen marschierte ich im weiten Tal auf der aufgelösten Bahnstrecke Kempten-Weitnau, die man gnädigerweise vergaß zu asphaltieren. Neuhundert Meter über dem Meeresspiegel über Berg und Tal ging der Weg. Im Hintergrund rauschte der Wald, sangen Vögel, bimmelten Kuhglocken. Das Wetter besserte sich, und der eine Ruhetag tat mir mehr als gut. Zwar waren die Blasen noch da, aber gut versorgt und gepolstert taten die Wunden fast nicht mehr weh. Ich konnte wieder einige Stunden in den Wanderschuhen marschieren. Das war nötig, und nicht nur wegen Stock und

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