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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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Obst machten mich dann so verlegen, daß ich gar nicht wußte, wohin mit meinen Wanderstab, an dem mit Schnürsenkeln angebunden noch die Wanderschuhe hingen.
    „Sagen Sie nichts,“ versuchte die vornehme Dame abzulenken, „ich weiß, in was für Zimmern die Leute manchmal schlafen müssen.“ Es klang endgültig, und ich wollte nicht den Eindruck vertiefen, ich sei Besseres gewöhnt.
Kempten, km 328
    Der nächste Morgen hatte eine gute und eine schlechte Seite. Gut war das reichhaltige Frühstück im Empiresalon mit Blick auf den Rosengarten. Schlecht war, daß es schon wieder regnete. Laut Wetterauskunft regnete es nirgendwo, außer freilich hier in Ostallgäu. Für den Rest der Republik beklagte man gar zu viel Trockenheit. Dazu war auch die heutige Strecke mit 34 Kilometern reichlich bemessen. Und das war die kürzere Variante. Nur für sportliche Wanderer, die anliegenden Naturschutzgebiete seien bei Regen zu meiden, warnte der Wanderführer. Aber kein Wort der Warnung vor dem peitschenden Reifengeräusch auf dem Autobahnzubringer. Wohl alles, was in Marktoberdorf vier Räder hatte, machte sich zu dieser Morgenstunde auf den Weg und trieb mich in den Wahnsinn.
    Der Herr hat sich noch nicht blicken lassen. Das habe ich auch nicht anders erwartet. Wenn ich in böser Stimmung war, ließ er mich allein schmollen. Das habe ich auf die kurze Zeit schon gemerkt. Aber man springt nicht so einfach über den eigenen Schatten. Statt dessen ging er vielleicht ein Stückchen mit Ingrid mit, die irgendwo vor oder hinter mir sein mußte. Sie hätte es bestimmt verdient. Oder er hing noch immer am Kreuz in der Lindenallee und hörte dem Regen zu, wie er in die Baumkronen prasselt. Es regnete jetzt geradezu hysterisch. Längst zog ich wieder die Wanderschuhe an, mit nassen Sandalen hätte ich mir nur eine Erkältung geholt. Später ging es auf unendlichen Forstwirtschaftsstraßen weiter. Forststraßen sind langweilig und irgendwie unnatürlich. Ich hätte mir einen weichen Waldweg, der durch Lichtungen führt, nach Erde und Nadeln riecht, gewünscht. Aber da kämen die tonnenschweren Waldmaschinen nicht durch. Da wäre keine Investition, kein Gewinn darin. Keine Zivilisation. Das wäre wie im Mittelalter, als die Räuber und die Pest da hausten. Es war naß, kalt und sehr einsam. Bis kurz vor Kempten traf ich keinen einzigen Menschen, den ganzen Tag lang. Es war ein langes Schmollen. Zur Erinnerung habe ich den Pilgerstempel aus der Kemptner Waldkapelle. Eine Holzhütte so klein, daß man fast vorbeilaufen könnte. Wenige schmale Bänke unter einem rieseigen Kruzifix. Bei Sonnenschein wäre ich vielleicht geblieben, aber ich mußte nach Kempten. In einem Schwesternheim wartete dort ein Zimmer auf mich. Und der Weg war noch lang. So lang, daß ich an dem großen Findling, der als Gruß aus der Eiszeit im Wanderführer groß angepriesen wurde, keinen rechten Gefallen fand. Ein großer Stein halt, sonst nichts. Dann immer weiter auf gelben, lehmigen Forststraßen.
    Endlich kam Kempten in Sicht, ich aber verlor beim Queren der Autobahn den markierten Weg. Kein Schild, kein Mensch weit und breit. Was kümmert die Planer und Bauer der Pilger? Ihr Werk geht vor! Sie betonieren zu, solange noch ein Quadratmeter frei ist. Wie sonst sollte ein Angestellter, der in München oder Stuttgart sein Brot verdienen muß, zur Arbeit kommen? Wie sonst sollte ein Yoghurtbecher der in Hamburg gepreßt, in Barcelona bemalt und in Nürnberg abgefüllt wird, denn zum Kunden kommen? Aber ich verlor an solchen Stellen immer die Orientierung und war überhaupt nicht dankbar für die Segnungen der Zivilisation. Wie ein Löwe im Käfig lief ich unentschlossen unter der Autobahn hin und her, bis der Herr eine junge Frau mit Auto schickte, die mich bis zum Schwesternheim mitnahm. Obwohl sie eigentlich, wie sie sagte, woanders hin wollte. Ziel- und orientierungslos herumirrende Personen seien aufzulesen und bei zuständigen Stellen abzuliefern. Sie betrachtete es wohl als ihre gute Pflicht und fuhr nicht eher weg, bis ich im Hauseingang verschwand.
    Es waren zwar nur zwei, drei Kilometer, die ich mir da sparte, aber das Pilgergewissen biß an mir hartnäckig. Sogar der Pilgerstab wollte partout nicht in den Fiat hinein, mußte erst überredet und gebeugt werden. Ich versuchte mich auf die Vesper hinauszureden, die ich auf diese Weise noch zeitlich besuchen konnte. Nichts sei dem Gottesdienst vorzuziehen, hieße es in der Regel des heiligen Benedikt. Aber ich

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