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Bis dein Zorn sich legt

Bis dein Zorn sich legt

Titel: Bis dein Zorn sich legt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Larsson
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mich um. Hier ist alles so ordentlich, aber nicht sonderlich Anni-haft. Hier hat sie ihre feinsten Habseligkeiten gesammelt. Das dunkel gebeizte Regal mit den Büchern, wenn auch nicht viele, in ordentlichen Reihen. Billige Ziergegenstände, wie einen hohlen Schwan aus Glas, gefüllt mit einer roten Flüssigkeit, die bei Hochdruck in den Schwanenhals steigen soll, oder einen bemalten Teller aus Teneriffa auf einem Gestell, irgendein Mitbringsel, Anni ist nie dort gewesen. Studioaufnahmen von Verwandten in vom Staub befreiten Rahmen. Es gibt eins von mir als kleines Kind, ich sehe unmöglich aus, meine Haare sind gewaschen, sorgfältig gekämmt und elektrisch, sie kleben an meiner Stirn. Ich kann mich an dieses Kleid erinnern, die Nähte kratzten an der Haut, der Schritt der Stumpfhose hing zwischen meinen Oberschenkeln. Wie haben sie mich bloß so ausstaffieren können? Sie müssen mich unter Drogen gesetzt haben.
    Anni ist so klein unter dem Pullover und den zwei Jacken. Sie ist eigentlich nur noch Haut und Knochen. Aber sie atmet. Und jetzt flattern ihre Augenlider. Hände und Beine zucken wie bei einem schlafenden Hund. Sie hat einen blauen Flecken im Gesicht, da, wo Kerttu sie getroffen hat.
    Ich sitze in ihrem guten Sessel und versuche mich zu erinnern, ob ich ihr je gesagt habe, wie viel sie mir bedeutet hat. Ich möchte ihr dafür danken, dass sie mich bedingungslos geliebt hat. Und ich möchte ihr dafür danken, dass sie sich nie an mich geklammert hat, ich konnte kommen und gehen wie die Katze, aber sie war immer zu Hause und konnte ein wenig Fleischsuppe aufwärmen oder Butterbrote für mich schmieren, wenn ich Hunger hatte. Mama hat gesagt, sie verwöhne mich. Das stimmt. Das hat sie auch getan. Dafür möchte ich ihr danken. Mama war so ganz anders mit ihren Gefühlen. Drama, Weinen, Geschrei und Verwünschungen im einen Moment, tränenselig, gefühlsbetont und schuldbeladen im anderen. »Vergib mir, geliebtes kleines Herz, du bist das Beste, was mir jemals passiert ist, kannst du mir ve-her-zei-hen?« Am Ende war ich ein eiskalter Teenager. »Gib mir ’nen Kotzbeutel«, sagte ich nur, wenn sie sich so auflöste und weich und schluchzend weinerlich wurde. Anni sagte: »Natürlich kann sie hier wohnen. Wenn sie mal ein wenig Abstand braucht. Und dann kann sie ja versuchen, ein bisschen Mathe zu büffeln.« Mama glaubte, ich würde im Dorf verrückt werden. »Das ist mir so gegangen«, sagte sie. Aber sie irrte sich.
    Ich sitze in Annis gutem Sessel und denke, dass ich sie geliebt habe. Ich habe das nie gesagt, vielleicht, weil ich allergisch gegen dieses Wort bin, Mama hat es tausendmal gesagt, aber sie ist ja auch wie ein Vogeljunges, das die ganze Zeit den Schnabel aufreißt. Ich hätte es trotzdem sagen sollen. Immer dann, wenn Anni mit hochgelegten Beinen auf der Küchenbank saß und versuchte, ihre Füße ein wenig zu kneten, hätte ich sie ihr massieren müssen. Ich hätte ihr die Haare bürsten müssen. Ich hätte ihr abends die Treppe hochhelfen müssen. Ich wusste es nicht besser. Ich lag auf dem Bett und hörte Musik.
    Aber jetzt muss ich sie mir ein wenig genauer ansehen. Es ist schummrig im Zimmer, und ich kann nicht sehen, ob ihr Brustkorb sich bewegt. Ist sie nicht zu still?
    Sitzt du hier?, höre ich eine Stimme von der Küchentür her, und als ich mich umdrehe, steht sie in der Tür.
    Sie sieht genau aus wie sonst, und doch nicht wie Anni, die auf dem Sofa liegt.
    Nein, lächelt sie, als sie meine Frage sieht. Ich schlafe nur. Ich werde noch sechzehn Jahre leben. Aber du musst jetzt bald los, nicht wahr?
    Ja, antwortet es in mir. Und dann stehen wir plötzlich am Seeufer. Es ist Sommer. Das Ufer auf der anderen Seite sieht überhaupt nicht aus wie das andere Ufer des Piilijärvisees. Aber das Boot ist Annis. Es ist ihr altes Ruderboot, das ihr Vetter vor einer Ewigkeit gebaut hat. Das Wasser gluckst gegen das Boot, es riecht nach Teer. Die Sonne liegt wie glitzernde Fischzüge in den sanften Wellen. Die Mücken singen ihre monotonen Sommerchoräle, und Anni löst vorsichtig die Vertäuung und hält das Boot fest, während ich hineinspringe und die Ruder in die Dollen lege.
    Anni schiebt das Boot an und springt ebenfalls hinein. Ich rudere.
    Während ich rudere, sehe ich Hjalmar.
    Er steht im Andachtsraum des Gefängnisses und singt. Er zusammen mit sieben anderen Insassen. Der Gefängnisgeistliche ist ein Mann von Mitte vierzig mit schütteren Haaren. Er ist ein guter Gitarrist, und jetzt

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