Bis dein Zorn sich legt
wird. Er kann sich am Freitag freinehmen. Hat keinen wichtigen Termin gebucht.
Donnerstag, 30. April
EIN SCHNEESTURM KÜNDIGTE sich an. Aprilwetter in Kiruna. Rebecka erwachte am Morgen und konnte vor dem Fenster nur den weißen, schneeschweren Wind sehen, der um das Haus fegte.
Um halb sechs, als sie sich Kaffee eingeschenkt hatte, klingelte das Telefon. Sie sah das Display an, Maria Taube, ihre ehemalige Kollegin bei Meijer & Ditzinger. Sie hatten zusammen für Måns gearbeitet, ehe Rebecka wieder nach Kiruna gezogen war.
Rebecka drückte auf »Antworten« und ließ ein theatralisches schlaftrunkenes Stöhnen hören.
»Oi«, sagte Maria. Taube. »Verzeihung. Hab ich dich geweckt?«
Rebecka lachte.
»Nein, das sollte nur ein Witz sein. Ich war schon auf.«
»Ich hab’s ja gewusst. Du neurotischer Arbeitsjunkie! Dich kann man doch in den frühesten Morgenstunden unbesorgt anrufen. Aber ich dachte schon, dieses norrländische Phlegma, von dem man so oft hört, hätte dich auch angesteckt.«
»Das schon, aber hier stehen die Frauenzimmer in aller Frühe auf.«
»Ach, das weiß ich, wer zuerst aufsteht, kriegt einen Orden. Meine Tanten sind auch so, streiten sich beim Abendessen darüber, wer zuerst am Werk war. ›Ich bin um fünf aufgewacht, und da konnte ich doch auch gleich aufstehen und die Fenster putzen‹, ›ich bin um halb vier aufgewacht und dachte, jetzt muss ich mich aber wirklich dazu zwingen, noch liegen zu bleiben, also bin ich bis halb fünf im Bett geblieben.‹«
»Ungefähr so wie wir«, sagte Rebecka und nahm einen Schluck Kaffee. »Bist du im Büro?«
»Unterwegs. Und ich geh zu Fuß. Hör mal.«
Rebecka hörte durch das Telefon die Frühlingsvögel.
»Hier wütet ein wilder Schneesturm«, sagte sie.
»Du machst Witze. Hier haben alle Kneipen schon Tische auf die Gehwege gestellt, und die Kanzleikollegen erzählen sich gegenseitig, wie viele Tulpen schon bei ihren Landhäusern aus dem Rasen sprießen.«
»Kommst du denn dazu, an den Tulpen zu riechen, Herzchen?«
»Nein, mein Schatz, ich stecke fest in einem Muster, wo ich mich zu Tode schufte und destruktive Beziehungen eingehe.«
»Du kannst deine Muster verändern«, sagte Rebecka mit der munteren Stimme einer Wetteransagerin im Fernsehen. »Dein Körper kann neue Dinge machen, was dich daran hindert, ist deine Gedankenwelt. Wage einen Versuch. Stell den Zeiger der Uhr um. Bist du heute schon mal rückwärtsgegangen?«
»Du kommst von der dunklen Seite«, sagte Maria Taube mit dumpfer Stimme. »Ich habe auch ein Buch über mindfulness gelesen. Darin steht, man soll im Jetzt leben. Aber haben die bei Meijer & Ditzinger je das Jetzt ausprobiert?«
»Ist Måns übellaunig und garstig?«
»Allerdings. Habt ihr euch gestritten oder was? Er hat die absolute Scheißlaune. Gestern bekam er einen Wutanfall, weil ich vergessen hatte, Alea Finans auf die Kanzleifristenliste zu setzen.«
»Nein, direkt gestritten haben wir uns nicht. Aber er ist sauer auf mich.«
»Warum das denn? Er darf nicht sauer auf dich sein. Du musst dafür sorgen, dass er munter und satt und befriedigt ist, dann ist es ihm scheißegal, ob die Alea einen Säumniszuschlag von fünftausend Eiern blechen muss. Die setzen über zwei Milliarden um. Und erzähl mir nichts über Prestigeverlust für die Kanzlei, diesen ganzen Vortrag hab ich mir eben erst anhören müssen. Also, warum ist er sauer?«
»Er findet, dass ich zu distanziert bin. Und es gefällt ihm nicht, dass ich mich hier oben herumtreibe. Aber was soll ich denn machen? Bei ihm einziehen, bis er die Sache sattkriegt und auf die Piste geht und Referendarinnen aufreißt?«
Maria Taube schwieg.
»Du weißt, dass ich recht habe«, sagte Rebecka. »Manche Männer und manche Hunde sind so. Nur wenn du wegschaust und dein totales Desinteresse signalisierst, kommen sie angeschwänzelt.«
»Er liebt dich doch«, wandte Maria wenig überzeugend ein.
Aber sie wusste, dass Rebecka recht hatte. Es hatte Måns gutgetan, dass Rebecka nach … Kurrkivare hochgezogen war. Er war ein Mann, der mit Nähe nur sehr schwer umgehen konnte. Maria und Rebecka hatten beide gesehen, wie er das Interesse an schönen und begabten Frauen verloren hatte, einfach, weil sie sich zu fest an ihn geklebt hatten.
»Wenn er nicht so wäre«, sagte Maria. »Könntest du dir dann vorstellen, wieder herzuziehen?«
»Ich glaube, ich würde krank werden«, sagte Rebecka ganz ohne Lächeln in der Stimme.
»Dann bleib da oben. Dann müsst
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