Daniel Briester - Friedemann, A: Daniel Briester
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Noch verschlafen tastete sie nach dem Telefon, damit das schrille, laute Läuten endlich aufhörte.
„Ich bin nicht da“, blaffte sie in den Hörer, drückte weg, drehte sich um und wollte weiterschlafen. Gleich lärmte es von neuem, durchdringend und dröhnend. Jetzt fast wach, zornig, griff sie abermals zu. „Verdammt, es ist mitten in der Nacht und ich will noch … Volker? Was ist passiert?“
Sie setzte sich auf, stöhnte leise, hörte zu, schwang die Beine aus dem Bett und suchte etwas zum Anziehen.
„Wo bist du?“ Sie lauschte der Stimme während sie einen Schuh, der im Weg lag, unter das Bett kickte. Verstreut lagen Kleidungsstücke herum, über die sie hinwegtapste. Die Augen hielt sie halb geschlossen, da ihr das helle Licht schmerzte.
„Ich rufe einen Anwalt an und komme hin. Halt die Ohren steif und sage nichts, wirklich nichts, bis ich da bin. Nicht, dass du denen etwas Falsches erzählst. Ach, am besten hältst du nur den Mund“, maßregelte sie ihn nun grob. „Kapiert?“
Sie suchte die Telefonnummer von dem Rechtsanwalt, mit dem sie beruflich bereits zusammengearbeitet hatte, schilderte, was sie von dem Bruder gehört hatte. Hastig schlüpfte sie in ihre Kleidung, stöhnte dabei. In der Küche schluckte sie zwei Kopfschmerztabletten. Sie hatte letzte Nacht anscheinend zu viel getrunken. Im Bad ergriff sie das Make-up und lächelte vor sich hin, streckte ihrem Spiegelbild die Zunge heraus. Sorgfältig schminkte sie sich.
Sie trank einen Schluck Kaffee, griff zum Telefon und zufrieden legte sie wenig später auf. Zurück im Bad grübelte sie über Volker und diese Geschichte nach, während sie die Lippenkonturen nachzog, um sodann Lippenstift aufzupinseln. Mehrmals drehte sie sich vor dem Spiegel, bevor sie zum Auto eilte. Wie meistens raste sie viel zu schnell zum Präsidium. Kam sie nicht schnell genug voran, hupte sie. Während der fast halbstündigen Fahrt durch die Hansestadt, überlegte sie, wie sie sich verhalten musste, murmelte dabei ständig vor sich hin. Verdammt, was war das für eine Geschichte? In was hatte sich der blöde Kerl da hineinmanövriert? Wenn man nicht ständig auf ihn aufpasste … In der Rothenbaum Chaussee war noch Stau, dass sie nur noch wütender werden ließ. Schien ein mieser Tag zu werden.
Angekommen fragte sie sich durch, hastete nach oben, bis sie vor ihrem Bruder stand. Volker sah blass aus, lächelte jedoch.
„Darf ich fragen, was das zu bedeuten hat?“ Sie wandte sich an einen Mann, der sie unbeteiligt musterte. „Sind Sie seine Anwältin?“
„Nein, die Schwester. Sandra Larsen. Der Anwalt wird in wenigen Minuten erscheinen.“
„Warten Sie bitte draußen, Frau Larsen.“ Er taxierte sie von oben bis unten, wandte sich mit hochgezogenen Augenbrauen ab.
„Das tue ich nicht. Was werfen Sie ihm vor?“ Herausfordernd beäugte sie den Mann in Sekundenschnelle.
„Sie behaupten, sie hätten bei mir im Atelier Heroin gefunden“, warf Volker dazwischen, dem der Auftritt seiner Schwester peinlich war. Ich hätte sie nicht anrufen sollen, schwirrte es ihm durch den Kopf, ärgerlich auf sich selbst.
„Bei dir? Das ist albern und blöd. Hatten sie überhaupt einen Durch- suchungsbefehl?“
„Frau Larsen, Sie warten bitte draußen, haben wir uns verstanden?“
Der Mann blickte zornig, seine grauen Augen kalt, erinnerten sie an Stahl. Blöder Kerl, probte den Aufstand, dachte Sandra. Wenn bloß mein Kopf nicht so dröhnen würde.
„Ich bleibe, bis sein Anwalt kommt.“
Kriminaloberkommissar Bernd Schmid fixierte sie. In seiner Dienstzeit hatte er Frauen aller Art getroffen. Er wusste, wie man diese hysterischen Weiber, wie er sie im Stillen bezeichnete, zum Schweigen brachte. Dazu gehörte diese Person, da ihm gerade in dem Moment einfiel, wer sie war: Das Gespräch in allen Abteilungen. Ja, sie glich vom Äußeren einem Engel, wie er sie einmal bezeichnet hatte. Diese Frau hatte ein Figur von der jeder Mann träumte, dazu die langen blonden leicht gelockten Haare, die meerblauen Augen. Er schüttelte leicht den Kopf. So was Besonderes war sie nun auch nicht. Er musste eine anzügliche Bemerkung unter- drücken, lächelte nur, wollte sie am Arm anfassen, da funkelte sie ihn zornig an. „Wagen Sie nicht, mich anzupacken, sonst bekommen Sie mehr Ärger, als Ihnen lieb sein kann.“
Volker lachte kopfschüttelnd, auch von Weitem erklang Gelächter.
„Es reicht! Raus hier, sonst bekommen Sie den Ärger.“ Er grinste dabei, Temperament hat sie, aber das
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