Bis dein Zorn sich legt
Nordwestküste von Jütland, und zwölf schwedische Fischer kommen ums Leben. Die Leute toben, als Berlin die schwedischen Proteste mit der Behauptung beantwortet, die schwedischen Fischer hätten sich der Sabotage an deutschen Leuchtbojen schuldig gemacht.
Depotleiter Zindel und Sicherheitschef Schörner merken, wie sie in Luleå immer kühler empfangen werden. Auf dem Postamt, in den Restaurants, überall ist die Stimmung umgekippt. Die Leute schlagen die Augen nieder. Die Essenseinladungen bei den feineren Bürgerfamilien in der Stadt werden seltener. Zindels schwedische Ehefrau sitzt meist allein zu Hause.
Als Isak Krekula nach Luleå fuhr, hatte er überlegt, dass es an der Zeit sei, die Kosten für seine Transportdienste neu zu verhandeln. Jetzt, wo die schwedische Bahn die Transporte einstellt, werden die Deutschen ganz und gar auf Lastwagen angewiesen sein, um ihre Truppen in Finnisch-Lappland und Norwegen zu versorgen. Außerdem spürt er selbst den Widerwillen der anderen dagegen, dass er sich den Deutschen zur Verfügung stellt, und dafür will er entschädigt werden.
Aber schon als er vor dem Depot aus dem Wagen springt, weiß er, dass es keine neuen Verhandlungen geben wird. Sicherheitschef William Schörner ist in Luleå. Isak möchte mit ihm lieber nichts zu tun haben, aber wenn Schörner in Luleå ist, und das ist er ziemlich oft, dann reißt er alles an sich. Als er Isak zuletzt bezahlen sollte, zog er den Umschlag mit dem Geld in genau dem Moment zurück, in dem Isak ihn an sich nehmen wollte. Isak stand mit ausgestreckter Hand da und kam sich blöd vor.
»Isak«, sagte Schörner. »Das ist doch ein echt jüdischer Name, nicht wahr? Sie sind doch wohl kein Jude?«
Und Isak musste versichern, dass er das nicht sei.
»Mit Juden kann ich keine Geschäfte machen, das müssen Sie verstehen.«
Und Isak versicherte ein weiteres Mal, er sei nicht jüdischer Abstammung.
Danach schwieg Schörner lange und musterte ihn.
»Na gut«, sagte er dann und reichte Isak den Umschlag mit dem Geld.
Als ob er noch immer nicht richtig überzeugt sei.
Jetzt ist William Schörner ein wandelndes Pulverfass. Alle Misserfolge im Krieg, die Nachgiebigkeit der Schweden den Alliierten gegenüber, das alles tickt in ihm wie eine Zeitbombe. Zum Beispiel hat er eine Woche zuvor gehört, dass vor Mariefred im Mälaren drei polnische U-Boote liegen und niemand etwas unternimmt, auch nicht die deutsche Regierung. Er ist gelassen und flirtet wie immer mit Kerttu, aber ihn umgibt ein aufgeladenes, zitterndes Energiefeld. Er steht kurz vor der Explosion. Ja, er sehnt sich nach der Explosion.
Der schwedische Außenminister hat seine Befürchtungen, die mit der Aufkündigung des Transitabkommens verbunden sind, mit den Worten zum Ausdruck gebracht: »Die letzten Prankenhiebe des waidwunden Raubtiers können entsetzlich sein.« William Schörner ist dieses Raubtier.
Aber davon merkt Kerttu nichts. Isak sieht verbissen zu, wie sie unter Schörners Komplimenten gurrt und säuselt. Ihre kastanienroten Haare hängen ein wenig über ihr Auge, wie bei Rita Hayworth. Sie trägt ein blaues Sommerkleid mit weißen Tupfen. Es hat einen Glockenrock und eine hoch angesetzte Taille. William Schörner sagt, sie müsse sich hüten, eines schönen Tages werde irgendwer sie noch aufessen.
William Schörner weiß Kerttu sehr wohl zu schätzen. In den vergangenen Jahren hat sie ihm etliche Dienste erwiesen. Hat ihm Dinge erzählt, die sie hier und dort aufgeschnappt hatte. Ein gutes Jahr zuvor ist ein deutsches Kurierflugzeug mit Maschinengewehren irgendwo in den Wäldern weiter innen im Land notgelandet. Kerttu und Isak waren in Luleå, und Kerttu war zum Friseur gegangen. Als sie herauskam, konnte sie berichten, wo das Flugzeug gelandet war, die Frau eines Forstbesitzers hatte das erzählt. Der Forstbesitzer hatte seinen Fund nicht bei der Polizei gemeldet. Vielleicht hatte er vorgehabt, mit seiner Entdeckung etwas zu verdienen, der Pilot und alle Passagiere waren bei der Landung ums Leben gekommen. Ein anderes Mal konnte sie über einen Journalisten berichten, der Bilder von mit deutschen Waffen beladenen Eisenbahnwagen gemacht hatte. Solche Dinge hatte sie also aufgeschnappt. Große und kleine. So ist es eben mit ihr. Die Leute wollen erzählen. Sie wollen, dass Kerttu ihren grünbraunen Blick auf sie richtet. Es tut in der Seele gut, von einem jungen, schönen Mädchen angeschaut zu werden. Schörner schreibt ihre Informationen in ein
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