Bis du erwachst
sein.
Da lag sie, wie üblich im Bett, vielleicht ohne etwas mitzubekommenvon der Welt ringsum und allem, was in den letzten drei Monaten geschehen war. Aber vielleicht hörte und verstand sie doch. Er schaltete den C D-Player ein und drückte REPEAT, um den einzigen Song abzuspielen, den er in diesem Moment hören wollte. Ihren Song.
«Why Don’t We Fall in Love?»
Er drehte die Lautstärke herunter, setzte sich und sah sie an.
Die Prinzessin.
Seine Traumfrau.
Er küsste sich auf den rechten Handrücken und berührte sie damit an der Stirn. Ihr erster Kuss.
«Bevor ich dir begegnete, Lena, habe ich mein eigenes Leben verschlafen. Dich kennenzulernen war eines der besten Dinge, die mir je passiert sind. Du hast mir buchstäblich und zweifellos das Leben gerettet. Denn durch dich hab ich angefangen, jeden Tag als etwas Neues, Frisches, Aufregendes zu betrachten, etwas, was ich gern erfahren und nicht nur aushalten will. Dafür werde ich dir immer dankbar sein, mein schlafender Engel, und ich werde es nie bedauern, dass ich dich vor Monaten im Bus angesprochen habe. Ich wünschte nur, na, du weißt ja, was ich mir wünsche.
Inzwischen weiß ich so viel von dir, dass ich dich liebe. Erstens …» Er rückte näher und flüsterte ihr ins Ohr.
«Ich liebe es, dass du Kleider trägst, die nicht zusammenpassen. Ich liebe es, dass du eine Woche lang geweint hast, nachdem du drüben im Dulwich Park einen Vogel hast sterben sehen. Ich liebe es, dass du gern Orangenmarmelade auf weißem Toast isst. Ich liebe es, dass du für jeden alles tun würdest, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Ich liebe es, dass du auf Regen wartest, damit du deine Gummistiefelmit dem Margeritenmuster anziehen kannst. Ich liebe es, dass es dich nicht stört, allein ins Kino zu gehen. Ich liebe es, dass du dir etwas aus Menschen machst.»
In diesem Augenblick unterbrach ihn Schwester Gratten. «Alles in Ordnung mit Ihnen, Michael?»
«Ja, Schwester Gratten, alles in Ordnung … ich verabschiede mich nur.»
Sie machte eine Miene, als wollte sie «Hoppla!» sagen, und verließ eilig den Raum. Michael wandte sich wieder Lena zu und ergriff ihre Hand. «Ich hoffe, du kommst da raus. Wirklich, und wenn du zu mir kommen möchtest, dann zögere nicht. Cara hat meine Adresse.» Er sah sich im Zimmer um, als suchte er eine versteckte Kamera, und wisperte: «Vielleicht könnten wir auf einen Drink ausgehen? Zum Essen? Ins Kino? In ein Konzert. Vielleicht, wenn diese Amerie mal in London ist. Mir gefällt ihre Musik, und dank deiner habe ich mir all ihre Alben gekauft.» Michael schluckte. «Ach, Lena, ich würde alles tun, um dafür zu sorgen, dass deine Augen weiterleuchten. Jeden Tag. Für immer.»
Lange blickte er auf Lena hinab, um sich ihre Züge ins Gedächtnis zu brennen. Bald musste er sich losreißen und in sein neues Leben zurückkehren, das er jetzt so liebte und das er so aufregend fand. Der Song begann von Neuem, die seidige Stimme füllte den Raum. In einem anderen Leben wären Ameries Worte so passend. Er atmete tief durch. Alles hatte mit jener Begegnung im Bus begonnen. Er hatte dieses wunderschöne Mädchen mit der fürchterlichen Singstimme beschützen wollen. Charlotte hatte einmal bemerkt, dass er ein Helfersyndrom habe, und wenn er sich seine vergangenen Beziehungen so ansah, konnte das schon zutreffen.Ironischerweise war es jedoch so, dass Lena am Ende ihn gerettet hatte.
Aber nun war es an der Zeit, nach vorn zu schauen, dachte er, während er versuchte, ihre Hand freizugeben, was er eigentlich gar nicht wollte. Und er konnte es auch nicht.
Denn Lena bewegte sich.
Die Augenbrauen zuckten, die Augenlider zitterten, ihre Hand fasste zu.
Ihm schlug das Herz bis zum Hals, er konnte kaum ihren Namen aussprechen. «Le … Lena?» Er wollte sich nicht bewegen, konnte sich nicht bewegen. Bildete er sich das nur ein? Oder war es real? War es ein Reflex?
Träumte
er sich das nur zurecht?
«Lena? Bitte, bist du das? Kannst du mich hören?»
Sie bewegte sich wieder. Ihre Augen …
Millie, Kitty und Cara kamen mit vollen Herzen und vollen Mägen aus der Kantine des Fen Lane Hospital zurück. Millie hatte es genossen, dass sie das Mittagessen ohne Groll und ohne sarkastische Bemerkungen eingenommen hatten. Es war ein Anfang.
Sie öffneten die Tür des Krankenzimmers. Lenas Bett war von Michael, Schwester Gratten und ein paar Ärzten verdeckt. Sie erschraken. Ging es Lena schlechter?
«Michael, was ist los?»,
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