Bis du erwachst
hart für mich, aber ich wusste, dass es so am besten war, weil ich dann … weil ich mir dann erlauben konnte, einen Mann wie Robert an mich zu binden. Eigentlich ist das alles ganz einfach.»
Michael konnte sie verstehen. Vielleicht galt ja für ihn dasselbe? Für ihn und Lena?
Wenn er zuließ, dass Lena in seinem Leben blieb, würde er dann nicht auch verhindern, dass er nach vorne schaute und jemanden kennenlernte?
Morgen war Donnerstag, und ursprünglich hatte er vorgehabt, den frühen Abend bei Lena im Krankenhaus zu verbringen, aber Cara hatte ihn gebeten, an diesem Tag nicht zu kommen. Anscheinend hatten sie irgendeine Familienzusammenkunft geplant. Zuerst war er ein bisschen verstimmt gewesen, aber dann hatte er akzeptiert, dass er für diese Menschen doch immer noch ein Fremder war. Über Lena hatten sie ihm Zutritt zu ihrer engsten Privatsphäre gewährt, obwohl er sie kaum kannte. Seit drei Monaten lag sie nun im Koma. Es war nicht sehr wahrscheinlich, dass sie sich wieder erholte. Aber wer wusste das schon? Er war sich nur sicher, dass er, was sein Leben anging, nie wieder wartend verharren wollte. War es in seiner Begegnung mit Lena nicht genau darum gegangen? Darum, leben zu lernen? Dasselbe würde auch für sein Liebesleben gelten. Er würde nicht in der Erwartung leben, dass Lena aufwachte, oder in der Hoffnung, dass sie ihn dann auch tatsächlich haben wollte. Sie hatte Justin, egal was der für ein Holzkopf war, und Michael war es sich schuldig, dass er auch jemanden fand. Und so fasste er folgenden Vorsatz: Er würde eine richtige Beziehung mit jemandem führen, aber das war nur möglich, wenn er Lena gehen ließ.
Am Freitag war das Ende der Arbeitswoche – und der Tag, an dem er Lena Rose Curtis für immer Lebewohl sagen wollte.
33
Ihre Monatsblutung hatte sich immer noch nicht eingestellt, doch darüber konnte sie sich jetzt keine Sorgen machen. Stattdessen dachte Cara darüber nach, was sie Kitty im Krankenhaus fragen wollte. Fragen. Antworten. Sie wollte alles wissen. Mit dem Rest konnte sie sich hinterher befassen.
«Du hast heute gut gearbeitet. Geh ruhig schon nach Hause», sagte sie zu Eliza.
«Ähm, aber Ade hat gesagt, ich soll dich nicht allein abschließen lassen.»
Cara hob eine Augenbraue. «Ach ja?»
«Ja, Cara.»
«Keine Angst, ich kann schon auf mich aufpassen. Geh du nur nach Hause, Eliza», sagte sie, insgeheim hocherfreut, dass Ade sich um sie sorgte.
Sie schaltete die Alarmanlage ein, schloss ab und ging zum Wagen. Eine Straßenlaterne war kaputt. Hinter sich hörte sie Schritte.
«Eliza?», rief sie. Ihr Herz schlug schneller. Die Schritte kamen immer näher, während sie in ihrer Tasche nach dem Tränengas wühlte. Aber sie fand es nicht, ihr fiel die Tasche zu Boden, sie bückte sich, um sie aufzuheben, und dann war er da.
«Wer sind Sie? Was wollen Sie?», sagte sie und versuchte, selbstsicher zu klingen. Ihr Magen zog sich vor Angst zusammen.
«Gib mir einfach die Tasche, dann tu ich dir nichts», sagte er. Normalerweise hätte Cara instinktiv reagiert und ihm mit dem Schlüssel ins Auge gestochen, doch plötzlich übernahm ein ungewohntes Gefühl die Führung. Ein Gefühl, das ihr vollkommen neu war, das sie noch nie so empfunden hatte.
«Gib mir die Tasche, du blöde Schnalle!»
«Hier, nehmen Sie», sagte sie und gab ihm die Tasche. Dann legte sie die Hand auf ihren flachen Bauch.
«Nett», sagte ihr Angreifer, es klang ironisch und gleichzeitig überrascht. Er drehte sich um und hüpfte davon, als hätte er gerade im Lotto gewonnen. Sie beugte sich über das Auto, das sie nun nicht aufschließen konnte – aber er auch nicht, der Idiot hatte offenbar versäumt, eins und eins zusammenzuzählen. Volle fünf Minuten stand sie so da und hatte in sich für nichts anderes Raum als für den überwältigenden Beschützerinstinkt, der einem Wesen galt, das sie gar nicht kannte, das vielleicht nicht einmal existierte! Das Gefühl war überraschend, unerwartet und sehr, sehr fremd.
Sie ging zur nächsten Telefonzelle und rief die Polizei.
Unterdessen versuchte Millie, einen kleinen, aber sperrigen Umschlag in einen Briefkasten zu stopfen. Ein letzter Schubs, dann war er durch den Schlitz und fiel auf den Boden. Gleichzeitig überlief sie ein überwältigendes Gefühl der Erleichterung.
Die Erleichterung darüber, dass sie sich tatsächlich geändert hatte.
Sie war nicht länger das verängstigte kleine Mädchen, das darauf wartete, dass ihr
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