Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis du stirbst: Thriller (German Edition)

Bis du stirbst: Thriller (German Edition)

Titel: Bis du stirbst: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
Vom Netzwerk:
eingeschlafen, zu kalt, um es sich dort bequem zu machen, und zu besoffen, um ins Bett zu gehen.
    Jetzt ist es Morgen. Sein Geburtstag. Er wünschte, er wäre schon vorbei.
    Ruiz steht um sieben auf. Dreht den Kaltwasserhahn im Badezimmer auf. Füllt seine hohlen Hände. Versenkt sein Gesicht im Wasser. Er zieht sich langsam und methodisch an, als arbeitete er nach Plan. Socken, Hose, Hemd, Schuhe. Es herrscht Ordnung in seinem Leben. Er ist zwar pensioniert, aber er hat seine Routine. Er geht hinunter und setzt Kaffee auf.
    Zweiundsechzig. Wenn man erst mal so alt ist, dann hört man auf, Geburtstage zu zählen, vergisst sie vielmehr. Ist er jetzt alt?
    Die meisten Leute können sich mit großer Klarheit an ihre Kindheit erinnern, und später im Leben verschwinden ganze Jahrzehnte in den Äther. Ruiz ist da anders. Für ihn hat es so etwas wie Vergessen nie gegeben. Nichts ist verschwommen oder ungenau oder an den Rändern ausgefranst. Er hortet Erinnerungen wie ein Geizhals, der sein Gold zählt – Namen, Daten, Orte, Zeugen, Verdächtige und Opfer.
    Er sieht die Dinge nicht fotografisch. Stattdessen stellt er Verbindungen her, die er miteinander verspinnt, wie eine Spinne ihr Netz webt, indem sie einen Strang mit dem nächsten verknüpft. Deshalb kann er zurückgreifen und Details von Kriminalfällen von vor fünf, zehn Jahren herauspflücken und sich an sie erinnern, als wären sie erst gestern passiert. Er kann Tatorte heraufbeschwören, Unterhaltungen aufleben lassen und dieselben Lügen noch einmal hören.
    Er sieht aus dem Fenster. Es regnet. Wasser rieselt auf die Themse, die voll mitgeschwemmter Blätter und anderem Zeug ist. Seit fünfundzwanzig Jahren lebt er am Fluss, und er ist ihm immer noch ein Rätsel.
    Vielleicht kommt die Post ja nicht, wenn es regnet. Der Postbote wird im Sortierbüro bleiben. Im Trockenen. In diesem Fall wird Ray Garzas Karte morgen kommen. Er wird dann noch eine Nacht lang warten. Träumend.
    Darcy kommt herunter, als der Kaffee fertig ist. Sie kann ihn wohl riechen. Sie trägt schwarze Tanzhosen, Turnschuhe, einen Pulli und eine ärmellose Daunenweste.
    »Herzliche Glückwunsch, mein Alter.«
    »Ach, hau doch ab.«
    »Magst du keine Geburtstage?«
    »Ich mag keine Teenager.«
    »Aber wir sind die Zukunft.«
    »So helfe uns Gott.«
    Darcy ist weder seine Tochter noch seine Enkelin. Sie ist eine Untermieterin. Das ist eine lange Geschichte. Ihre Mutter ist tot, und ihren Vater hat sie erst kürzlich kennengelernt. Sie ist achtzehn und studiert Tanz an der Royal Ballet School.
    Sie setzt sich auf einen Stuhl, kreuzt die Beine und hält ihren Kaffeebecher mit beiden Händen. Sie kann sich biegen wie ein Schilfrohr und lautlos bewegen.
    »Ich werde dir einen Kuchen backen«, verkündet sie.
    »Das brauchst du nicht.«
    »Was für einen willst du? Magst du Schokolade? Alle mögen Schokolade. Wie alt bist du geworden?«
    »Zweiundsechzig.«
    »Das ist alt.«
    »Nicht das Baujahr zählt, sondern die gelaufenen Kilometer.«
    »Was soll das heißen?«
    »Auch egal.«
    Sie hat ein Stück Obst entdeckt. Frühstück. Sie ist sehr schlank.
    »Wirst du irgendwann noch mal heiraten?«, fragt sie.
    »Nie mehr.«
    »Warum nicht?«
    »Zu teuer, nur um seine Wäsche gewaschen zu kriegen.«
    Darcy findet ihn nicht lustig.
    »Wie oft warst du verheiratet?«
    »Musst du nicht bald zum Unterricht, dich strecken, Pirouetten drehen und so?«
    »Ist dir das peinlich?«
    »Nein.«
    »Okay, dann erzähl’s mir. Ich bin neugierig.«
    »Meine erste Frau ist an Krebs gestorben, und meine zweite Frau hat mich für einen argentinischen Polospieler verlassen.«
    »Waren da noch andere?«
    »Meine dritte Frau scheint vergessen zu haben, dass wir geschieden sind.«
    »Du meinst, sie ist eine Freundin mit gewissen Vorzügen.«
    »Eine was?«
    »Eine Freundin, die dich mit ihr schlafen lässt.«
    »Mein Gott! Wie alt bist du eigentlich?«
    Darcy antwortet nicht. Sie nippt an ihrem Kaffee. Ruiz fängt an, darüber nachzudenken. Mit Miranda zu schlafen – das ist eigentlich eine nette Idee. Sie ist immer noch eine gutaussehende Frau, und wenn ihn die Erinnerung nicht täuscht, haben sie früher die Bettlaken zerfetzt. Der Sex war so gut, dass sogar die Nachbarn danach eine Zigarette brauchten.
    Sie haben sich vor fünf Jahren scheiden lassen, sind aber in Kontakt geblieben. Und die Zwischenzeit ist nicht ohne Vorzüge gewesen. Sie hatten ein stürmisches Wochenende in Schottland, als einer ihrer Neffen heiratete,

Weitere Kostenlose Bücher