Bis einer weint! - 20 böse Ratschläge für gute Menschen (German Edition)
meisten Fragen werden mit Berechtigung gestellt, weil sie eben noch nicht beantwortet wurden. Fragen ängstigen Menschen, weil sie von ihnen Entscheidungen (für eine Antwort) abverlangen. Probleme, die im Raum stehen und an die sich niemand konkret ran wagt, sollen so nun von ihnen plötzlich gelöst werden.
Fragen bedeuten den Menschen ihre eigene Inkompetenz (Warum habe ich nicht daran gedacht?) Wieso operiere, arbeite, befinde ich mich in einem unaufgelösten Raum (also in einer Situation, in der noch einiges unklar ist)?
Diese Erkenntnis verunsichert Menschen und dann wollen Sie auch noch eine Antwort von ihnen haben!
Fragen irritieren, sie stören den Ablauf und das Schlimmste: Sie zwingen zum Nachdenken. Wir werden später noch lernen, dass nichts die Menschen mehr stört, als der Zwang zum Denken.
Die Menschen haben vor Fragen Angst, weil sie fürchten, sie nicht beantworten zu können; ergo ihre eigene Inkompetenz zu demonstrieren oder sogar dass aufgedeckt werden könnte, dass sie schlicht null Ahnung haben und hier am falschen Platz sind.
Zusätzlich rütteln sie an der Qualifikation des Erklärenden: Hat er es etwa nicht gut erklärt? Ist das nicht sein Job? Eine Frage ist immer ein kleiner Angriff auf den Befragten. Immer! Dies hat sich immer weiter durchgesetzt und so bleiben nur noch ein paar hartnäckige Fragensteller übrig; diese sind so beliebt wie Hämorriden. Die Fragen kommen unvorbereitet, aus dem Bauch heraus, zeigen oft an, dass man wenig zugehört oder schlicht ungenügend Vorkenntnisse besitzt, um eigentlich an dem Gespräch teilzunehmen.
Diese Fragesteller haben das gesellschaftliche Spiel der Konversation noch nicht verstanden. Und sie schädigen dem Ansehen der Frage dazu auch noch. Fragen haben einen ganz anderen Hintergrund: Fragen dienen nicht dem Zweck der Aufklärung, sondern dem Zweck der Bestätigung.
Nur wenn Sie die Frage so stellen, dass der Fragesteller sie leicht beantworten kann, umgehen Sie Inkompetenz- und Entlarvungsprobleme.
Natürlich hat das mit richtigen Fragen nichts mehr zu tun, aber die sollen Sie ja sowieso nicht stellen. Diese Bestätigungsfragen gehören in den gesellschaftlichen Bereich, ins Plaudern, ins Fachverkäufergespräch, überall da, wo Sie nichts erreichen wollen, sondern sich entspannen oder man Ihnen sogar etwas verkaufen möchte. Hier sind die Fragen sogar Teil des gesellschaftlichen Spiels, aber sie müssen gut gestellt werden, damit man ihre Schmeichelei nicht zu offen bemerkt. Deshalb stellen so wenige Menschen Fragen.
Sie möchten schließlich auch nicht beim Lügen ertappt werden. Andererseits: Sind Sie aber unterwegs, nicht nur beruflich, sondern auch in privaten Familienkreisen (ganz besonders da), dann hören Sie auf, Fragen zu stellen. Konzentrieren Sie sich auf das Zuhören. Fragen Sie wirklich nur das Nötigste, denken Sie immer daran: Menschen haben immer Angst, bloßgestellt zu werden.
Für Sie wird es zwar niemals so schlimm ausgehen wie für Sokrates, aber auch dieses Beispiel zeigt, wo man mit zu vielen Fragen enden kann:
Der Urphilosoph wusste sich schon gezielt unbeliebt zu machen. Er wurde dafür sogar umgebracht. Seine ganze Philosophie gründete sich nur auf das Fragestellen. Jede Aussage hinterfragte er, um sein Gegenüber weiter auf den Weg der Weisheit zu führen. „Erkenne dich selbst!“, war sein Motto. Und sie haben ihn dafür gehasst. Er brachte die Menschen damit zur Weißglut und schließlich, als er ihnen einfach zu lästig wurde, wurde er verurteilt und musste in einer Höhle den Schierlingsbecher trinken. Immerhin starb er für seine Überzeugung. Noch heute ist eine der wirkungsvollsten Drohungen: „Stellen Sie nicht so viele Fragen!“
Die Frage gehört in das Reich der Untersuchung, der Kompetenz, der Aufklärung. Die Frage wird von einem Höhergestellten an den Untergebenen gestellt. Polizisten befragen Kriminelle, Ärzte befragen Patienten, Männer befragen ihre Ehefrauen, Lehrer befragen Schüler, Soldaten stellen niemals Fragen.
Die Frage gehört nicht in das Reich des gleichgestellten Gesprächs. Erst recht nicht in die Situation einer Instruktion. Man instruiert Sie etwas zu tun, weil man es selbst nicht machen will. Ja, so ist das, nicht weil man es nicht kann, dann könnte man Sie nämlich gar nicht instruieren.
Es geht immer darum, eine Aufgabe, eine Information, eine Angelegenheit auf jemand anders zu übertragen. Der Informationsfluss, der Kanal fließt dabei in eine Richtung. Ein
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