Bis ins Koma
Beerdigung. Ich dachte immer, ich könnte das alles viel besser aushalten, wenn du bei mir wärst.«
Da küsst er sie. Noch einmal und noch einmal. Mirandas Augen sind geschlossen. Ihre Lippen geöffnet.
»Alles wird gut«, murmelt Marvel in ihr Haar.
»Ich weiß«, flüstert Miranda.
Marvel fühlt sich toll. Das Leben hat ihn wieder. Er kann mit Mauki, Jojo und Bully wieder Witze reißen. Er hat wieder Spaß am Leben.
Er möchte wieder so sein wie früher, wie damals, bevor alles anfing. Er albert wieder rum wie früher. Hat abends wieder Zeit. Und an den Wochenenden sind sie oft wieder zusammen unterwegs. Es ist ein super Gefühl, zu wissen, dass die alten Kumpels immer noch die besten Freunde sind.
Das muss gefeiert werden. Unbedingt!
Wenn nicht jetzt, wann dann …
Und als hätte die Welt nur darauf gewartet, kommt Jojo am nächsten Freitag mit einer Nachricht von der Internet-Community. »Morgen Abend, ein Flashmob an den Landungsbrücken«, gibt er strahlend bekannt. »Das dürfen wir nicht verpassen! Neunzehn Uhr, Rathausmarkt.«
»Und was soll da abgehen?«, fragt Mauki.
»Mann! Das weiß eben keiner! Das ist doch der Witz! Wir gehen da hin, nehmen unsere Handys mit und warten auf die Befehle.«
»Befehle?«, Bully runzelt die Stirn. »Ich lass mir ungern was befehlen. Das weißt du!«
»Mensch, Bully! Dann nenn es Aufforderung oder Startschuss oder wie auch immer! Hier geht’s um sinnfreien Spaß!«
Sinnfreier Spaß klingt irgendwie gut, denkt Marvel. Wieso soll immer alles einen Sinn haben? Er erinnert sich an die letzte Flashmob-Party. Von der hat er allerdings erst gehört, als sie längst stattgefunden hatte. Da haben sich tausend Leute in der Europapassage getroffen und auf Kommando haben sie alle die Arme in die Luft gerissen und getanzt.
In Braunschweig haben sie den Schlossplatz besetzt und richtig Picknick gemacht. 5000 Jugendliche. Jojo war in Braunschweig dabei. Seitdem verpasst er keinen Flashmob mehr.
»Das ist so geil!« Jojo strahlt. »Wenn du siehst, wie aus dem Stand lauter Leute, die du nicht kennst, das Gleiche machen. Das macht einen echt high.«
Einen kurzen Augenblick überlegt Marvel, ob er Miranda vielleicht mitnehmen soll. Er weiß, dass seine Kumpels nichts dagegen hätten. Seit der peinlichen Disconacht ist viel passiert, sie sind alle älter geworden, haben alle ihre Erfahrungen gemacht.
»Was meint ihr?«, fragt Marvel. »Soll ich Miranda fragen?«
»Klar, frag sie«, sagt Jojo. »Je mehr wir sind, desto besser!«
Marvel stürmt zu Mirandas Wohnung hoch. Er ist noch ganz außer Atem, als sie die Tür öffnet.
»Heute Abend ist Party«, keucht er. »Auf dem Rathausmarkt. Da trifft sich die Flashmob-Community aus ganz Deutschland. Jojo sagt, vielleicht werden es fünftausend Mann!«
»Fünftausend? Bei so viel Leuten krieg ich sicher Platzangst.«
»Ach Quatsch, komm, mach mit!«
»Du willst da also hin?«, fragt Miranda.
Er lächelt. »Ja, mit meiner Clique, und hinterher zum Hafenfest an die Landungsbrücken.«
»Da saufen sie doch bloß alle.«
»Nee, das wird’ne ganz normale geile Party. Und du musst nichts trinken, wenn du nicht willst. Bitte, komm mit! Die Jungs freuen sich.«
Miranda zögert. »Ich hab Lena versprochen, dass ich sie heute Abend besuche. Sie hat einen Gipsfuß. Sie langweilt sich zu Hause total.«
»Dann geh morgen zu ihr.«
»Ich will ihr nicht so kurzfristig absagen. Das wäre gemein. Nur weil ich was Besseres vorhab.«
Lena ist Mirandas beste Freundin. Das weiß Marvel. Er kennt Lena. Sie ist eine von diesen ehrgeizigen Streberinnen, die immer überall die Beste sein wollen.
»Lena ist auch bei Straight Edge«, sagt Miranda, »praktisch unsere ganze Klasse. Guck mal hier!« Sie schiebt ihren Pulliärmel hoch und zeigt Marvel ihr Tattoo. Ein dickes schwarzes X. Marvel hat vergessen, was Straight Edge bedeutet. Nur eine dunkle Erinnerung, dass Miranda ihm schon einmal davon vorgeschwärmt hat.
»Schön«, sagt er.
»Ja, nicht?« Miranda streift den Pulli wieder über den Arm. »Du musst da auch mitmachen!«
»Klar«, sagt Marvel. »Irgendwann. Du kommst also bestimmt nicht mit?«
Miranda schüttelt den Kopf.
»Schade jedenfalls«, sagt Marvel.
»Ja, finde ich auch. Aber es wäre gemein, Lena einfach sitzen zu lassen.«
»Wollen wir dann morgen ins Kino?«
»O ja, super.«
»Wähl ich den Film aus oder du?«, fragt Marvel.
»Du«, sagt Miranda. »Ich vertrau dir total, das weißt du doch.«
Auf dem
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