Bittere Pille
herausfinden.«
»Sicherlich
haben Sie die ganze Nacht vor dem Rechner verbracht und wissen nun,
was es braucht, um die Zulassung eines neuen Medikaments zu
erwirken«, vermutete
Heike.
Ulbricht blickte sie
nachdenklich an, nippte von seinem kalten Kaffee, schüttelte
sich angewidert und nickte. »Natürlich. Wenn ich schon
aus der Nummer raus bin, will ich trotzdem wissen, warum. Deshalb habe
ich mich informiert. Das Zulassungsverfahren ist relativ
kompliziert und langwierig - allerdings zum Schutz des Patienten,
und insofern ist die lange Wartezeit
nachvollziehbar.«
Stefan schürzte
die Lippen. »Spielen wir folgenden Fall durch: Mir
gehört eine Firma, in der ich Arzneimittel entwickle und sie
vertreiben möchte. Was muss ich tun, um sie Apotheken,
Ärzten und Krankenhäusern anbieten zu
dürfen?«
»Zunächst
müssen Sie einen Zulassungsantrag ausfüllen. Mit dem
Antrag ist ein recht umfangreiches Dossier gefragt, in dem das
Arzneimittel detailliert beschrieben ist. Es gibt eine Art Norm,
das CTD-Dossier. CTD steht übrigens für Common Technical
Document-Format, und jetzt nennen Sie mich nicht
Klugscheißer, Herr Seiler.«
Stefan grinste,
schwieg aber.
Ulbricht fuhr fort:
»Es dauert manchmal ein paar Jahre, bis ein neues Medikament
auf den Patienten losgelassen wird, wenn ich es mal so salopp
ausdrücken darf.«
»Aber Zeit ist
Geld«, warf Stefan ein. »Und als Unternehmer bin ich
daran interessiert, dass mein neues Produkt möglichst schnell
zunächst Umsatz, anschließend auch Gewinn
erwirtschaftet.«
»Sie sollten in
die Wirtschaft gehen, Seiler.« Ulbricht griente.
»Aber im Ernst:
Ganz genau hier liegt nämlich der Hund begraben.
Die Pharmaindustrie
muss immense Summen investieren, bis ein neues Produkt Geld
verdienen kann. Vorausgesetzt, man hält sich an den legalen
Weg.«
»Und wenn
nicht?«
»Dann stecken
Sie das Geld in einen Mitarbeiter der Kontrollbehörde.
Jemanden, der an einer entscheidenden Stelle
sitzt.«
»Wollen Sie der
Behörde vorwerfen, dass sie käuflich
ist?«
»Und jetzt sind
wir an dem Punkt, den wir vorhin hatten. Nein, eine
Bundesbehörde ist nicht käuflich. Aber bei tausend
Mitarbeitern gibt es sicherlich den einen oder anderen, der sich
über die Zuwendung eines wohlhabenden
Unternehmers freuen würde.«
»Das wäre
Korruption im großen Stil«, staunte Heike.
»Nicht
unbedingt. Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Ein
Mitarbeiter, dem es obliegt, über das Pro und Contra eines
beantragten Mittels zu entscheiden, wäre erpressbar. Wer von
uns ist nicht mit irgendeiner alten Geschichte erpressbar?
Möglicherweise hat unser Mister X irgendwann in seiner Jugend
Blödsinn gemacht. Solchen Blödsinn, der ihm heute noch
verdammte Schwierigkeiten bereiten könnte. Unser Mister X hat
aber eine reizende Frau, süße Kinder, er hat ein
schickes Haus im Grünen und kann sich endlich den dicken Wagen
leisten, von dem er schon früher geträumt hat. Dumm nur,
dass er irgendwann einmal eine Dummheit begangen hat. Wer hinter
dieses Geheimnis kommt, hat die Macht. Unser armer Beamte ist
erpressbar.« Ulbricht kehrte die Handflächen nach oben.
»Und jetzt? Er wird alles tun, um sein kleines Geheimnis zu
behalten.«
»Worauf wollen
Sie hinaus?« Stefan wippte mit dem Fuß. »Ist das
nicht alles Spekulation und ziemlich weit
hergeholt?«
»Natürlich.
Es ist zunächst nichts als eine Theorie.«
»Bitte fahren
Sie fort, was passiert mit diesem spekulativen bestechlichen
Mitarbeiter, der das Antragsverfahren für ein neues Medikament
auf den Schreibtisch bekommt?« Im Gegensatz zu Stefan schien
Heike Ulbrichts Theorie zu gefallen. Er lächelte und
vermutete, dass sie eine heiße Story fürs Radio
witterte.
»Er winkt das
umständliche Zulassungsverfahren durch, auf dem kleinen
Dienstweg, wenn Sie so wollen. Das Medikament erhält seine
erste Zulassung. Jetzt muss es noch verschiedene Studien
durchlaufen, bevor es endlich freigegeben wird. Wo diese Studien,
ohne die Zulassung wohlgemerkt, stattgefunden haben, wusste Ihr
Kollege Peter Born. Und genau dieses Wissen hat er mit seinem Leben
bezahlt.«
»Das klingt wie
in einem Agenten-Thriller«, stellte Heike fest. »Aber
es ist die Realität«, erwiderte Ulbricht und zog an
seiner Zigarette. »Wenn Sie so
wollen, war Born ein Agent auf der guten Seite. Und er ist jemandem
gewaltig auf die Füße getreten.«
»Dann
müssen wir die Mörder in Kreisen der Behörde
suchen?« Schulterzucken. »Ich bin
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