Bittere Pille
»Komm
schon!«
Heike blickte ihn
verdutzt an, stellte aber keine Fragen und folgte ihm zurück
zum Käfer.
67
Wermelskirchen-Dhünn,
14:45 Uhr
Ein dunkelblauer VW
Touareg parkte vor der Hütte. »Bingo«, freute sich
Stefan.
»Was meinst
du?«
»Ich meine
nichts, aber ich hoffe, dass ich mit meiner Idee recht
hatte.« Er parkte den Käfer direkt hinter dem
Geländewagen. Sie stiegen aus und genossen sekundenlang die
Stille, die sie umgab. Doch die Idylle täuschte.
Das
Motorengeräusch des Käfers hatte sie auf die Besucher
aufmerksam gemacht. Eine blonde Frau trat ins Freie. Die Sonne
blendete sie, deshalb hielt sie sich die Hände wie einen
Schirm über die Augen, während sie sich den Besuchern
näherte. Als sie die beiden Reporter der Wupperwelle erkannte,
verfinsterte sich ihre Miene. »Was tun Sie denn hier?«
Die Stimme war eiskalt.
»Dasselbe
könnten wir Sie fragen, Frau Klinke«, konterte Stefan.
»Ist dies nicht das Wochenendhaus von Christoph
Brechtmann?«
»Schon. Ich habe
ihn besucht, um …«
»Er ist
tot.« Heike hatte langsam und deutlich gesprochen. Sie
achtete auf jede Regung im Gesicht von Jeanette Klinke. Im
Bruchteil einer Sekunde wich ihre ablehnende Haltung einer fast
mädchenhaften Verletzbarkeit. Anfangs war es ein Zucken im
Mundwinkel. Dann begann sie zu zittern. Tränen sammelten sich
in ihren Augen, und sie rang mit den feingliedrigen Fingern. Ihre
Unterlippe bebte. »Das ist nicht wahr.« Die Stimme
nichts als ein Hauch. »Sagen Sie, dass das nicht wahr
ist.«
»Leider ist es
wahr.« Stefan trat näher. »Dürfen wir
hereinkommen?«
Sie nickte und wich
den Blicken der Reporter aus. Stefan und Heike fühlten sich unwohl in ihrer
Haut. Es gehörte nicht zu ihren täglichen Aufgaben,
Todesbotschaften zu überbringen; das war Sache der Polizei.
Doch auf Ulbricht hatten sie nicht warten können.
Wahrscheinlich saß er im Polizeipräsidium und leckte
seine Wunden, weil er zum Handlanger degradiert worden war. Heike
konnte seinen Frust verstehen und wollte nicht mit dem
Hauptkommissar tauschen.
»Kommen
Sie.« Jeanette Klinke machte kehrt und betrat das
Häuschen. Drinnen herrschte Halbdunkel. Es gab
Dielenböden mit einfachen Läufern und rustikales
Mobiliar. Nichts deutete darauf hin, dass diese Hütte einem
wohlhabenden Mediziner gehört hatte. Die Frau führte die
Reporter in ein kleines, mit Holz vertäfeltes Wohnzimmer und
bot ihnen Platz an. Sie setzten sich und schwiegen einen Moment
lang.
Dann ging ein Ruck
durch die zierliche Frau. Sie strich sich eine widerspenstige
Haarsträhne aus dem Gesicht und blickte erst Stefan, dann
Heike lange an. »Wissen Sie … wissen Sie, wie es
passiert ist?«
»Er wurde tot in
einem Hotelzimmer in Winningen an der Mosel aufgefunden. Mit einer
Schusswaffe in der Hand. Alles sollte so aussehen, als hätte
Dr. Brechtmann sich das Leben genommen. Doch die Polizei fand keine
Schmauchspuren an seiner rechten Hand, was daraufhindeutet, dass er
nicht abgedrückt hat. Außerdem stimmt der Schusswinkel
nicht überein. Der Mörder läuft frei herum, Frau
Klinke.« Stefan verriet ihr nicht, dass die Mörderin von
Christoph Brechtmann bereits in Haft saß. Er wollte Jeanette
Klinke aus der Reserve locken.
»Er hat ihn aus
dem Weg geräumt.«
»Er wird jeden
aus dem Weg räumen, der in dieser Geschichte drinsteckt.
Wissen Sie etwas über die Verbindung der Morde?« Stefan
blickte die Frau ernst an und versuchte ihre Gedanken und
Gefühle zu ergründen. Vergeblich. Diese Frau war
verschlossen und wich seinen bohrenden Blicken aus.
»Nein, ich
weiß nichts.« Händeringen. »Ich weiß
gar nichts. Warum musste Christoph bloß
sterben?«
»Weil er zu viel
wusste?« Heike beugte sich weit vor. Als Jeanette Klinke
nicht gleich antwortete, fragte Heike: »Was wissen Sie
über die Geschichte? Können Sie uns etwas
erzählen?«
Händeringen,
Kopfschütteln. Sie starrte auf den Tisch. »Nein«,
wisperte sie schließlich. »Ich weiß
nichts.«
»Darf man
erfahren, was Sie im Wochenendhaus von Dr. Brechtmann
treiben?« Stefan gab seiner Stimme einen sanften Unterton.
»Haben Sie etwas gesucht? Oder waren Sie hier mit ihm
verabredet?«
»Ich will
ehrlich zu Ihnen sein: Wir hatten ein Verhältnis.« Sie
barg das Gesicht in den Händen und weinte lautlos. Ihre
Schultern zuckten. »Mein Gott«, fuhr sie fort.
»Wie sich das anhört - wir hatten ein Verhältnis.
Jetzt ist er tot. Ja, wir waren verabredet. Ab und zu trafen wir
uns hier draußen. In
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