Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Voss
Vom Netzwerk:
den Weibern! Wie der mit seinem Porsche die Straßen unsicher macht! Der hätte schon längst in den Knast gehört. Aber der alte Böse bügelt die Schweinereien immer wieder aus. Fragen Sie den mal, was der sich ins Haus geholt hat.«
    »Wo finde ich ihn?«
    Hollenberg drehte sich um, umfasste mit einem Blick das weite, von einzelnen Bäumen durchsetzte Land und deutete mit seiner ruckartig zustechenden rechten Hand in Richtung einer aus dem Dunst aufragenden Baumreihe.
    »In Stemshorn, gleich hinter der Haldemer Straße, da hat der seine Festung. Aber mit dem ist nicht gut Kirschen essen.« Zögernd herausgehustete, ungeduldige Worte, ganz so, als bereute er, Böse überhaupt erwähnt zu haben. »Brauchen Sie mich denn noch, Herr Kommissar?«
    »Nein. Ich hoffe für Sie, dass Sie mir keinen Bären aufgebunden haben.«
    »Ich hab den gesehen, und davon lass ich mich auch nicht abbringen!« Hollenbergs rechter Stiefel matschte im morastigen Untergrund. Seine ineinanderverschränkten Hände knackten. »Der Bruder ist ja hier auch umgekommen. Fünfundsiebzig ist das gewesen, als der hier zu Tode kam.«
    »Fünfundsiebzig? Wie alt ist denn der junge Böse?«
    »Um die fünfundzwanzig, glaub ich.«
    »Wie kann der einen Bruder haben, der Jahrzehnte älter ist?«
    »Ich mein doch nicht den, ich mein den vom Alten, den Hinrich.«
    »Und der ist hier umgekommen?«
    »Aufgehängt.« Hollenberg deutete mit dem Kinn auf das Denkmal. »Genau wie der da. Die gönnten dem anderen nicht den Ohrschmalz. Soll ja Selbstmord gewesen sein, aber vielleicht fehlten ja nur die richtigen Beweise.«
    »Für Mord?«
    Hollenberg nickte.
    »Manche glauben, dass es der Alte war. Aber das kann man ja nicht wissen, oder? Wo selbst die Polizei nichts finden konnte. Ein Satan war er schon immer, der Pestbock, und mit der Meinung stehe ich nicht alleine.«
    Vermutlich eine der Geschichten, die die Fantasie der Menschen zum Gerücht verdichtet hatte. Und Gerüchte sind hartnäckig, werden immer wieder aufgekocht, bis sie sich gerundet und den Charakter einer Legende angenommen haben. Daran konnte man dann glauben oder auch nicht. Wenn etwas daran war, gab es sicherlich Akten. Und in die, beschloss Lorinser, würde er einen Blick werfen. Falls sie nicht längst geschreddert worden waren.
    Hollenberg ließ sich trotz Lorinsers hartnäckigen Fragen nicht weiter auf »Hinrichs Fall« ein. Er entließ ihn, nachdem er seine Daten aufgenommen und ihn für den nächsten Tag zum Protokoll in die Inspektion geladen hatte. Sichtlich erleichtert humpelte der Bauer davon, schwang sich auf seinen Trecker und fuhr in Richtung Hüde.
    Lorinser strich sich mit der linken Hand über den Hals, ertastete den schwellenden Einstich eines Mückenrüssels und fixierte das hin- und herschwingende Seil. Seinen ersten Kriminalfall hatte er sich so nicht vorgestellt. Der hatte viel mit geraubten Juwelen, komplizierten Recherchen und Verfolgungsjagden zu tun, ganz sicher nichts mit verschlammten Schuhen und der bangen Frage, ob er ein von den Kollegen bespötteltes Opfer einer imaginären Denkmalsleiche werden würde.
    Die beiden jungen Streifenbeamten beobachteten ihn. Ihren Gesichtern war anzusehen, dass Hollenbergs Erzählungen sie nicht überzeugt hatten.
    »Glauben Sie wirklich«, fragte der Jüngere der beiden, »dass hier jemand rumläuft, der eine Leiche klaut?«
    Der grinsenden Skepsis der Uniformierten hielt Lorinser ein vages Schulterzucken entgegen. Was heißt schon glauben? Tatsachen entschieden und sonst nichts. Tatsache war, dass die Sonne zu wärmen begann. Und der hielt er, während er über die nächsten Schritte nachdachte, sein noch immer winterblasses Gesicht entgegen. Den alten Böse hatte er aufzusuchen. War dessen Sohn anwesend, war der Fall abgeschlossen. Wenn nicht, wurde er zu einem. So einfach war das.
    Er deutete auf das im Gebüsch kaum zu erkennende Denkmal.
    »Wer ist das? Und wieso hat man ihn so verkommen lassen?«
    »Weißt du was, Gerd?«
    Der Ältere der Polizisten schüttete den Kopf.
    »Wusste gar nicht, dass der hier steht. Wahrscheinlich haben die in der Gemeinde kein Geld für die Pflege.«
    »Wie auch immer«, sagte Lorinser. »Passen Sie gut auf ihn auf. Bis die Spurenkollegen hier sind. Sagen Sie ihnen, dass ich mich bei Herrn Böse nach seinem Sohn erkundige.«
    »Jawohl, Herr Kommissar.«
    »Zu viel der Ehre«, korrigierte Lorinser. »Kriminalobermeister.«
    Das zweigeschossige, aus doppelt gebrannten Klinkern errichtete Haus ließ

Weitere Kostenlose Bücher