Bitterfotze
will wirklich nicht in dreißig Jahren auf Teneriffa sitzen und meine Entscheidungen bereuen! Ich möchte jetzt die richtigen treffen!«
Mary schaut mich ernst an.
»Ja, vielleicht schaffst du es ja, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Aber wenn nicht, und vielen gelingt es nicht, sich immer richtig zu entscheiden, dann ist es sicherlich keine gute Idee, in dreißig Jahren hier zu sitzen und verbittert zu sein! Du musst lernen, damit zu leben, dass du dich vielleicht manchmal nicht richtig entscheidest.«
John hat sich zurückgelehnt, raucht eine Zigarette und schaut aufs Meer. Vielleicht ist er zufrieden, weil er nicht auf die Bestätigung verzichten musste, die eine Arbeit und eine Karriere bedeuten. Oder hat er Schuldgefühle, weil Mary seinetwegen auf so viel verzichten musste? Ich traue mich nicht zu fragen, ich habe die Grenzen der Offenheit bereits ausgereizt.
Wir sitzen noch ein Weilchen da und trinken unseren Tee, sie erzählen vom Ausflug in einen Papageienpark, den sie vor ein paar Tagen gemacht haben. Es war das Geld nicht wert, stellen sie fest und lächeln sich an. John nimmt Marys Hand und hält sie fest. Die Bitterfotze in mir verkrümelt sich in einem tiefen Loch, denn als ich sie so sitzen sehe, wird mir ganz warm ums Herz. Ich möchte so gerne an ihre Liebe glauben.
Vielleicht kann die Liebe in manchen Fällen doch ehrlich und gleichzeitig so konventionell und vorbildlich sein?
John und Mary bringen mich in mein Hotel, zum Abschied umarmen wir uns fest und lange. Sie sagen, ich solle sie unbedingt in ihrem Steinhaus aus dem 18. Jahrhundert in Windsor besuchen. Versprochen, sage ich.
Mitten in der Nacht sitze ich auf dem Balkon und lausche dem Meer. Es lärmt und rauscht, ich stecke die Beine unter die Decke, die ich um mich gewickelt habe. Ich friere ein bisschen, aber ich möchte noch ein Weilchen so sitzen bleiben und an die Liebe denken, die Liebesmythen und die Gleichberechtigung und das Leben.
Und die Kinder.
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EIN HETERONORMATIVES 21.-JAHRHUNDERT-ROMAN-ENDE
Isadora kommt nach London und begibt sich in Bennetts Hotel. Sie darf in sein Zimmer gehen und auf ihn warten. Da hängen seine Anzüge und Krawatten ordentlich im Schrank, seine Hausschuhe stehen auf dem Boden, und die Zahnbürste liegt säuberlich auf der Ablage im Badezimmer.
Betrübt stellt sie fest, dass man nicht merkt, dass sie ihn verlassen hat. Ein Stapel Theaterkarten zeugt davon, dass er jede Vorstellung in London gesehen hat. Er hat keinen Nervenzusammenbruch gehabt, auch sonst nichts Verrücktes getan. Er ist immer noch der alte zuverlässige Bennett, stellt sie enttäuscht fest. Und dann macht sie, was ich jeden Abend in dieser Woche getan habe, sie lässt ein heißes Bad einlaufen. Die allerbeste Blitztherapie.
Ich schlang meine Arme um mich. Es war die Angst, die mich verlassen hatte. Der kalte Stein, den ich neunundzwanzig Jahre auf der Brust getragen hatte, war fort. Nicht von einem Augenblick auf den anderen und vielleicht auch nicht für immer, doch er war fort. Vielleicht war ich nur gekommen, um ein Bad zu nehmen. Vielleicht würde ich wieder weggehen, bevor Bennett zurückkam. Oder vielleicht würden wir zusammen nach Hause fahren und versuchen, miteinander ins Reine zu kommen. Oder vielleicht würden wir zusammen nach Hause fahren und uns scheiden lassen. Es war nicht vorauszusehen, wie das Ganze enden würde. In viktorianischen Romanen wird geheiratet. In Romanen aus dem 20. Jahrhundert lässt man sich scheiden. Gibt es ein Ende, in dem keines von beidem geschieht?
Es ist mein letzter Tag auf Teneriffa. Ich verbringe den ganzen Tag im Liegestuhl am Pool. Ich höre Countrymusik, lese, schlafe, döse, lese und denke an Isadora und ihre eventuelle Scheidung. Doch, alle Möglichkeiten sind offen. Auch für mich. Ich brauche dieses Kind nicht zu bekommen, wenn ich nicht will. Ich kann mich von Johan trennen, wenn ich will.
Ich habe die volle Freiheit und die volle Verantwortung für mein kleinliches, großartiges Leben.
Die Sonne brennt, ich schwitze und freue mich über die Erkenntnis, dass ich will und nicht will.
Ich will dieses Kind bekommen. Ich will mich nicht von Johan trennen. Ich liebe ihn nämlich!
Im Moment wenigstens, muss ich ehrlicherweise hinzufügen. Ich habe die Freiheit, mich nächste Woche, nächsten Monat, nächstes Jahr anders zu entscheiden. Aber im Moment bin ich bereit, weiterzukämpfen. Ich will es. Ich glaube, ich habe noch einmal die Kraft zu streiten und mir
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