Bittersueße Wahrheit
Blick hatte sich regelrecht in ihren gebohrt, als er sie während des ersten Verhörs abschätzig gemustert hatte. Er war hochgewachsen, muskulös und sah ziemlich furchterregend aus. Ja, er machte ihr richtiggehend Angst. Er schien kalt und berechnend zu sein. Und Mitleid schien er mit ihr auch nicht zu haben, sonst hätte er sie ja gar nicht erst hierhergebracht. Auf ihr Flehen und Bitten war er gar nicht erst eingegangen. Egal wie sehr sie auch gebettelt hatte, er überhörte sie schlichtweg. Er schien ihre Angst förmlich zu riechen und auf seine Art auch richtiggehend zu genießen. Womöglich roch er die Pheromone seiner Opfer, wenn ihnen das Adrenalin durch den Körper jagte! Das teuflische Aufblitzen in seinen dunklen Augen, wenn er es geschafft hatte, sie zu verängstigen, war ihr nicht entgangen. Es verriet ihn. Und genau dieser Mann, dessen hässliche Narbe über das ganze Gesicht verlief, stellte sich nun hinter dem Pult auf. Katelyns Herzschlag setzte abermals aus. Es raubte ihr erneut den Atem, als er ihr mit seinen kalten, dunklen Augen begegnete. Abschätzig sah er auf sie herab. Augenblicklich senkte sie den Blick, um seinem auszuweichen. Als alle Männer – es waren sicherlich mehr als fünfzig – in ihren Sesseln saßen, wurde es auf einen Schlag ganz still im Raum. Diese Stille erdrückte sie schier. Was wollten sie nur von ihr? Sie hatte doch niemandem von ihnen irgendetwas getan? Zumindest konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, falls es doch so gewesen war? Dennoch war es ziemlich unwahrscheinlich, dass sie jemals einem von ihnen begegnet war. Allesamt sahen sie aus wie Verbrecher. Sie hätte sich sicherlich niemals auf sie eingelassen, das war ihr bei deren Anblick sofort klar. Katelyns lautes, stoßweises Atmen war das einzige, noch verbleibende Geräusch im Raum. Sie versuchte zwar, gegen ihre Angst anzukämpfen, doch es gelang ihr nicht. Ihre Knie wurden automatisch butterweich und sie sackte in diesem Augenblick zusammen wie ein Sack. Sie versuchte, sich wieder aufzurichten, doch ihr fehlte die nötige Kraft dazu. Resigniert senkte sie den Blick, sah verstohlen auf den Steinboden und ließ sich baumeln. Sie schloss die Augen und hoffte dadurch, die Männer und diesen schrecklichen Albtraum, der sie scheinbar im Wachzustand gefangen hielt, einfach auszulöschen. Doch nichts hatte sich an ihrer verqueren Lage verändert, als sie die Augen wieder aufschlug. Der Albtraum war einfach zu real!
Plötzlich nahm sie ein ihr vertrautes Geräusch hinter sich wahr. Es war das leise Stolzieren einer Frau, die sich auf hohen Absätzen fortbewegte und leise mit jemandem sprach. Diese Stimme! Katelyn erkannte sie sofort. Das konnte doch nicht wahr sein?! Sie drehte sich so gut es ging nach rechts und warf einen Blick hinter ihren ausgestreckten Arm. Sie hatte sich nicht getäuscht. Es war Rose. „Rose.“, wimmerte Katelyn. „Hilf mir.“, bettelte sie kraftlos. In ihrer Stimme steckte keinerlei Power mehr. Zu sehr hatte sie sie belastet, als sie sich schreiend gegen ihre Fesslung gewehrt hatte. Flehend sah sie ihr in die Augen. Doch mehr als ein abschätziges Lächeln hatte Kate als Antwort nicht erhalten. Fassungslos folgte sie ihr mit ihren Blicken durch den Raum.
Rose lief auf das Pult zu , verbeugte sich demütig vor dem Narbengesicht und stellte sich neben ihn auf das Podest. Sie richtete nunmehr das Wort an die Anwesenden im Raum. „Mister Stark hat mich gebeten, Ihnen von den Fehltritten dieser unwürdigen Sklavin dort drüben zu berichten.“, sagte Rose hasserfüllt und blickte in Katelyns Richtung. Ihre frostige, laute Stimme jagte Katelyn augenblicklich einen Schauer über den Rücken. Anklagend zeigte Rose mit dem Finger auf sie.
Katelyn war entsetzt, schockiert, fassungslos und zutiefst enttäuscht zugleich. War das wirklich die Rose, mit der sie vor ein paar Tagen noch friedlich am Pool herumgealbert hatte? Simon hatte ihr erzählt, sie sei ihre beste Freundin, doch nun hatte sie womöglich gerade ihr zu verdanken, dass sie hier war.
D ie bittersüße Wahrheit, die sie nunmehr – wenn auch gezwungenermaßen – erfahren sollte, schlug ein derart großes Loch in ihre Brust, so dass ihr das Atmen immer schwerer fiel. Rose erzählte schlimme Dinge über Simon und sie erzählte Fürchterliches über sie. Wie konnte diese Frau ihr das nur antun? Katelyns Herz weigerte sich, all das zu glauben. Zu glauben, Simon sei ein Monster. Das konnte doch nicht wahr sein?! Nicht nach all dem,
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