Bittersweet Moon
telefonierte. Ich blieb
neben dem großen, von ihm liebevoll gepflegten Ficusbaum stehen, und wartete
darauf, dass er sein Gespräch beendete. "Du, es tut mir leid, es gibt kein
freies Zimmer im Augenblick", sprach er mich nach dem Gruß an, weil er
annahm, ich benötigte wie üblich einen Übungsraum.
"Ich
brauche keinen Raum, ich muss mit Ihnen etwas besprechen", sagte ich
bedeutungsvoll und sah mich um.
"Ja,
was gibt's denn?" weckte ich natürlich sofort seine Neugier. Mit einer
Handgeste lud er mich in das Zimmerchen hinter dem Pult ein, wo er mir den
einzigen Stuhl im Raum anbot.
"Danke
Frank, ich brauche mich nicht hinsetzen", lehnte ich ungeduldig seinen
Angebot ab. "Wissen Sie, ich habe eine große Bitte an Sie. Sie sind am
Samstagabend doch im Dienst, oder?" musste ich mich erst vergewissern, ehe
ich loslegte.
"Aber
freilich, wie immer bei großen Vorstellungen", erwiderte Frank nickend und
musterte mich erwartungsvoll durch seine dicken Brillengläser.
"Ich
kriege an diesem Abend einen wichtigen Gast, der mich unbedingt auf der Bühne
sehen will. Das Problem dabei ist aber, dass er ein ziemlich berühmter Mann
ist, der rein privat in der Stadt unterwegs ist und er möchte nicht erkannt
werden. Deswegen suche ich eine Möglichkeit, ihn in den Saal reinzukriegen,
ohne dass jemand ihn dabei sieht. Und dafür bin ich auf Ihre Hilfe
angewiesen", bemühte ich mich zu meinem bezauberndsten Augenaufschlag, als
ich ihn hoffnungsvoll anschaute.
"Ich
verstehe", nickte Frank und ließ seinen Blick in die Ferne streifen. Dabei
streichelte er konzentriert über sein Bärtchen und kniff seine Augen noch mehr
zusammen.
"Ich
hab's!", entspannte sich nach kurzem Grübeln sein angestrengter
Gesichtsausdruck und er lächelte mich verschwörerisch an, offensichtlich
erfreut über seine Idee. "Der Beleuchtungsbalkon! Da kann er rauf! Was
hältst du davon?" fragte er begeistert. In Gedanken überprüfte ich rasch
seinen Vorschlag. Der Beleuchtungsbalkon befand sich über dem Publikumsraum und
wurde nur noch von den Lichttechnikern benutzt, obwohl man von da aus einen
sehr guten Blick auf die Bühne hatte. Dort oben war es immer ganz dunkel und
der Lichttechniker würde auch aus der Nähe sein Gesicht kaum erkennen können. So
kann Robin die Aufführung ungestört und inkognito verfolgen und dazu noch eine
tolle Aussicht genießen ! Die Idee gefiel mir immer mehr und ich
verspürte eine große Erleichterung. "Frank, das ist eine geniale Idee!
Tausendmal Danke! Sie wissen nicht, wie sehr Sie mir damit helfen!",
bedankte ich mich bei Frank und am liebsten hätte ich ihn umarmt.
"Dein
Gast muss aber kurz nach 19 Uhr bei mir erscheinen, wenn das Publikum schon im
Saal sitzt und dann bringe ich ihn auf den Balkon", fuhr Frank mit seinem
Plan fort. "Wenn der Vorhang am Ende fällt, muss er auch sofort wieder
verschwinden. So wird ihn keiner bemerken." Frank freute sich, als er
meine offensichtliche Dankbarkeit und Wertschätzung für seine Hilfe bemerkte.
Er war ein hilfsbereiter und freundlicher Mensch und er konnte nicht erahnen,
wie sehr er uns damit half. Ich konnte niemand anderen außer ihn um Hilfe
bitten, ohne Robin verraten zu müssen.
"Einverstanden.
Ich werde meinem Gast alles erklären, so dass er direkt auf Sie zukommt, sagen
wir… um zehn nach sieben. Er wird einen Cowboyhut tragen und eine schwarze
Sonnenbrille", gab ich ihm noch die nötigen Hinweise, die sich mir spontan
anboten.
"So,
so, ein Cowboy", lächelte Frank schelmisch und auch ein bisschen staunend.
"Bitte
Frank, ich verlasse mich auf Ihre Diskretion. Sie wissen nicht, wie wichtig das
für mich ist", erklärte ich ihm ernst.
"Aber
natürlich, ich werde schweigen wie ein Grab, auch wenn ich deinen geheimnisvollen
Cowboy doch erkennen werde", versicherte mir Frank. Das glaubte ich ihm
und ich fand es auch eher unwahrscheinlich, dass er Robin erkennen würde. Frank
war ein älterer Mann und mit Sicherheit kannte er sich mit Rocksängern nicht
aus. Was ich aber für alle meine Kommilitonen, die Lehrer, das Publikum und
besonders eventuelle Presse nicht behaupten konnte. Mit Franks Hilfe ließ sich
diese Gefahr fast vollständig vermeiden und meine Freude darüber war immens.
"Super! Ich schulde Ihnen etwas", sagte ich schließlich mit einem
erleichterten Lächeln auf dem Gesicht.
"Ach
komm, ist ja keine große Sache. Du kannst mir für den Sommer eine neue, mir
noch unbekannte Ecke deines Landes empfehlen und dann sind wir quitt",
antwortete Frank
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