Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)
Erfahrung werde ich nun berichten und im Anschluss daran, wie sich der Dialog auch im Spannungsfeld sprachlicher und kultureller Unterschiede bewährt, beim Bauen in globalem Rahmen.
In ihrem ersten Berufsjahr, gleich nach dem Studium, gewannen Meinhard von Gerkan, Volkwin Marg und Klaus Nickels (von rechts) den Wettbewerb um den Neubau des Flughafens Berlin-Tegel gegen internationale Konkurrenz – ein spektakulärer Erfolg.
Junge Architekten, frisch von der Universität, ohne konkrete Bauerfahrung, gewinnen ein Großprojekt mit einem Volumen von heute umgerechnet einer Milliarde Euro! Diese jungen Architekten waren 1965 mein ein Jahr jüngerer Partner Volkwin Marg, Klaus Nickels und ich mit damals 30 Jahren. Wir hatten den Auftrag zum Neubau des Flughafens Berlin-Tegel gewonnen. Es war ein Komplettauftrag, der aber nur scheibchenweise verabreicht wurde. Dennoch: Wir planten beziehungsweise gestalteten einfach alles: Terminal, Hangars, Brücken, Möbel, Beleuchtung, Telefonzellen, Beschilderung et cetera. Wir fühlten uns im siebten Himmel der Architektur! Bei der Bauleitung hörte die Liebe des Bauherrn allerdings auf. Mit großer Weitsicht erkannte er die Schwachstellen unserer Organisation. In Abstimmung mit ihm verstärkten wir unser Team durch einen älteren, erfahrenen Bauleiter, den wir zu unserem Partner machten. Daswar im Übrigen die Geburtsstunde unserer Bürostruktur von Gerkan, Marg und Partner (gmp), so wie sie heute noch besteht. gmp begleitete den Flughafen kontinuierlich bis zu seiner Eröffnung 1975 und noch viele Jahre darüber hinaus. Der Flughafen Berlin-Tegel war zu keiner Zeit ein Phantom, der Bauherr hatte zu allen Zeiten über einen offenen und direkten Informationsaustausch Einblick in die Planungen beziehungsweise wusste um deren Konsequenzen. Für uns junge Architekten waren die Umstände, unter denen wir Berlin-Tegel entwarfen und realisierten, fantastisch und aus heutiger Sicht unglaublich, vielmehr unmöglich.
Im Laufe meiner Berufspraxis habe ich auch Erfahrungen in anderen Teilen der Welt sammeln können. Allein in China hat gmp mehr als 75 Projekte gebaut – etwa die gleiche Anzahl befindet sich dort noch in Planung und Bau –, kleiner, aber auch größter Kategorie, unter anderem das Chinesische Nationalmuseum, das größte Museum der Welt. Mit Lingang New City errichtet gmp eine ganze Stadt für 800
000 Einwohner. Fast jede Aufgabe dort ist zehn Mal größer als in Deutschland – und alles wird geschätzt fünf Mal schneller umgesetzt.
Den internationalen Wettbewerb für die Planstadt Lingang New City südöstlich von Shanghai gewann unser Büro im Jahr 2002. Ihre noch nicht endgültig realisierte Existenz verdankt die Stadt der Tatsache, dass auf einer vor der Küste gelegenen Inselgruppe der größte Hafen der Welt entsteht,größer als Singapur, größer als Hongkong und drei Mal so groß wie Hamburg – und Hamburg ist schon der zweitgrößte Hafen in Europa. Lingang ist gewissermaßen das landseitige Pendant dazu, mit dem Hafen durch eine 32,5 Kilometer lange Seebrücke verbunden. Bereits im Jahr 2003, also nur ein Jahr nach Gewinn des Wettbewerbs, wurde mit dem Bau begonnen. Mittlerweile leben schon 120
000 Menschen dort; man hat dem Meer 133 Quadratkilometer Land abgerungen (das entspricht ungefähr der Fläche des Stadtgebietes von Halle/Saale), es sind auf einer Fläche von rund 200 Quadratkilometern Gewerbegebiete entstanden, im Zentrum der Stadt wurde ein kreisrunder See von drei Kilometern Durchmesser angelegt. Die Stadt basiert auf einer ganz strengen Kreisgeometrie wie der einer analogen Uhr oder eines Kompasses. Die planerische Metapher ist die eines fallenden Tropfens, der bei seinem Auftreffen konzentrische Kreise auf der Wasseroberfläche hervorruft. Auf einem Satellitenfoto habe ich diese Kreise mit einem Bleistift eingezeichnet – und das ist wie die Mao-Bibel verstanden und umgesetzt worden.
Grand Theater Chongqing, China, Bauzeit: 2005–2009
Entwurfszeichnung der Planstadt Lingang New City, 60 Kilometer südlich von Shanghai, China
Wettbewerbsmodell Lingang New City
Stadtansicht Lingang New City mit dem 2009 fertiggestellten größten Schifffahrtsmuseum der Welt
Wir haben in China auch einen Bahnhof gebaut: Der Westbahnhof in Tianjin circa 130 Kilometer südwestlich von Peking dient als Stopp auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen der chinesischen Hauptstadt und Guangzhou, bündelt
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