Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)
des sehr aufwendigen und komplizierten Planungsvorganges von zunächst zwei konkurrierenden Bietern, nämlich gmp in Verbindung mit Hochtief und JSK in Verbindung mit IVG, verstärkte sich das Chaos, weil die entscheidende Komponente, auf der die gesamte Realisierung ruhte, die Forderung war, dass der jeweilige Privatinvestor den Flughafen nicht nur mittels seiner eigenen Geldmittel – selbstverständlich unter Mitwirkung des Architekten – planen und bauen, sondern späterhin den Flughafen auch betreiben und, was entscheidend war, die Betriebskosten und die Refinanzierung der Baukosten durch die Erhebung einer für jeden Fluggast fälligen Flughafengebühr erwirtschaften sollte. Die Höhe dieser Fluggastgebühr war Bestandteil des Wettbewerbs und gewann auf diese Weise eine überproportionale Bedeutung gegenüber allen anderen Kriterien, auch solchen Kriterien der Funktionalität, den Kriterien der erweiterten Nutzbarkeit, also der Erweiterungen des gesamten Flughafenkomplexes für die Zukunft, sowie zahllosen anderen von diesen Grundentscheidungen voneinander abhängigen Faktoren, als da sind: die Erschließung über die Straße, über die Schiene, mit eigenem oder ohne Bahnhof. Es fand ein Wettbewerb unter vollkommen beliebigen Bedingungen statt, die der geschickten Argumentation bedurften. Um sich im Duettder beiden Anbieter gegenseitig zu übervorteilen, öffnete sich ein nahezu unbegrenztes Potenzial an eigenwilligen Interpretationen und unterschiedlichen Rechnungs- und Darstellungsmethoden, sodass ein Vergleich der beiden Angebote schlichtweg unmöglich wurde. Lediglich die Ausbildung der Terminalgebäude bot eine gewisse Möglichkeit, die Vorzüge des einen Entwurfs gegenüber dem anderen herauszustellen und hier eine Hierarchisierung vorzunehmen. Die Interpretationstoleranz in der Aufgabenstellung war nicht zuletzt auch die Basis, von der aus dann die Rüge seitens der IVG gegenüber unserem mit Hochtief erarbeiteten Entwurf gerichtlich vorgetragen und damit das gesamte Verfahren gestoppt wurde. Das Chaos lichtete sich auch in den darauffolgenden Verfahren nicht. Sie führten allesamt in eine Sackgasse und brachten kein verwendbares Resultat hervor. Ungeklärt blieben nach wie vor die Fragen der Bauherrschaft und der Finanzierung. Der Planungsgemeinschaft fehlte ein kompetenter Dialogpartner, der für eine sinnvolle funktionale und zukunftsfähige Gesamtanlage unerlässlich ist und bleibt.
Nach der Enttäuschung, dass die Realisierung eines derart großen und zugleich öffentlichen, obendrein von zwei Bundesländern und der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam initiierten Vorhabens durch Privatfinanzierung aus Baufirmenhand an der durchaus bezweifelbaren Befähigung einer Baufirma scheiterte, den Betrieb eines Flughafens von heute auf morgen zu übernehmen, war der Entschluss durchausmutig, nun die gesamte Baumaßnahme in die öffentliche Hand zu nehmen. Andererseits war sehr viel Zeit verstrichen. Wie sollte sich innerhalb einer sehr kurzen Frist eine Bauherrschaft für den Berliner Großflughafen, nachdem alle anderen, Tempelhof, Tegel, Schönefeld, der Stilllegung zugedacht waren, mit den Vertretern von zwei Bundesländern und der Bundesrepublik Deutschland auf ein einheitliches Konzept verständigen können? Waren doch noch einige Fragen ungeklärt, nicht zuletzt Fragen der Location, der Lärmbelästigung der Anwohner und der Gestaltung der Flugrouten.
Nachdem wir seinerzeit noch ohne klare Bauherrenstruktur mit der Planung begonnen hatten, übertrug sich das Chaos der unklaren Zuständigkeiten auch nach Eingreifen der öffentlichen Hand auf den gesamten Bauprozess. Verantwortung für die funktionalen, die ästhetischen und ökologischen Belange wurde mehr oder weniger zu einem Produkt ständigen Zusammenraufens. Da eine Aufgabenteilung innerhalb dieses sehr uneindeutigen Kompetenzgewirrs jedoch unerlässlich war, übernahm gmp, wie schon erwähnt, die Verantwortung für die Flughafenkonzeption, die ästhetische und formale Gestaltung. Für uns verband sich mit der Übernahme der künstlerischen Oberleitung und der Konzeptplanung die als sicher geltende Voraussetzung, auch bei diesem Flughafen wie zuvor bei den anderen über das dialogische Verfahren mit einem hoffentlich kooperativen Bauherrn zu einem befriedigenden Ergebnis kommen zukönnen. Dies entwickelte sich bereits nach kurzer Zeit leider in eine andere Richtung.
Der von uns als Chefplaner des Hauptstadtflughafens und technischer
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