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Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)

Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)

Titel: Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinhard von Gerkan
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auswirkt. Daher nachfolgend einige Bemerkungen hierzu.

Die Vermallung des Fliegens
    Zunächst ist es wichtig, zwei Begriffe zu erläutern, die den Flächenbedarf eines Flughafens betreffen. Es sind dies die Begriffe Aviation- und Non-Aviation-Fläche:
    Unter Aviation-Fläche versteht man die Nutzflächen, die der Primärfunktion eines Flughafens, also dem Abfliegen und Ankommen der Flugpassagiere sowie ihrem Gepäck, direkt oder indirekt dienen. Dazu kommen alle Check-in-Einrichtungen, Informations- und Ticketschalter, Einrichtungen der Pass-, Zoll- und Sicherheitskontrollen, Verkehrswege und sämtliche Wartebereiche.
    Flughafen Berlin-Tegel. Mit der Eröffnung im Jahre 1975 war dieser beispielhaft für das Konzept des Drive-in-Airports. Für 2,5   Millionen Passagiere konzipiert, fertigt der Flughafen heute mehr als 18   Millionen Fluggäste pro Jahr ab.
    Das ist die Primärfläche eines jeden Flughafens, die notwendig ist, um die Grundfunktionen zu leisten. In den 1960er- Jahren war das so erwünscht und zum Beispiel von uns 1965 in Berlin-Tegel so geplant. Das Konzept des Flughafens Berlin-Tegel   –   laut weltweit nahezu übereinstimmender Einschätzung noch heute der am besten funktionierende Airport   –   bestand die ersten Jahre aus reinen Aviation-Flächen. Wir hatten nur einen Zeitungskiosk, einen Souvenirladen, einige Zigarettenautomaten und Telefonzellen vorgesehen; Gastronomie und Konferenzräume waren in den Obergeschossen untergebracht. Von der Taxivorfahrt biszum Check-in-Schalter waren es 20   Meter, vom Counter durch den Warteraum bis zur Flugzeugtür noch 15   Meter. Das ist für einen Vielflieger der einzig wahre und gewünschte Komfort. Der Flughafen Berlin-Tegel ist den damaligen strikten Devisen der Lufthansa »Drive to your gate« und »Gate check in« gefolgt, mit den unübersehbaren Vorteilen dieses Prinzips. Etliche Jahre bot Tegel eine optimale Orientierung und die kürzesten Wege, bis auch diesen Flughafen das Verhängnis des allgegenwärtigen Konsumangebots heimsuchte und, dem internationalen Trend folgend, ein immer größerer Bereich des Terminals der Non-Aviation-Fläche zugeordnet wurde, so heißen die nicht der Primärfunktion des Fliegens gewidmeten Flächen.
    Auf Non-Aviation-Flächen entstanden Shoppingcenter mit uferlos großen Verkaufsflächen für Spirituosen, Parfüm, Uhren, Damen- und Herrenbekleidung, übergroße Badeenten und aufblasbare Schwimminseln. Solange unsere Spezies ohne gravierende Unterschiede zur Tierwelt vorzugsweise dem eigenen Vorteil oberste Priorität gegeben hat, war jedes Individuum daran interessiert, den kürzesten und ungestörtesten Weg zu seinem Flug zu wählen. Da die meisten Fluggäste im Terminal keinem konkreten Kaufwunsch nachgehen, haben sie auch keinen Anlass, einen abseits gelegenen Laden aufzusuchen. Warum soll ich von Hamburg nach Shanghai zwei Flaschen überteuerten Whisky wie ein Penner in der Plastiktüte mitschleppen oder, nach Hamburg zurückgekehrt, noch eine neue Unterhoseoder ein Paar Skisocken erwerben, um diese als Mitbringsel in die Tasche zu stopfen? Offenkundig, weil Shopping mittlerweile zu einem allgemein verbreiteten Freizeitverhalten gehört, das die Flughafengesellschaften glauben bedienen zu müssen. Das geht an der Planung nicht spurlos vorüber, wie ich aus eigener leidvoller Erfahrung weiß. Nicht nur Tegel hat inzwischen die Verkaufsflächen erweitert. Auch bei unserem Flughafen für Stuttgart mutierte der erste Bauabschnitt von einem ausgewogenen Verhältnis der Aviation- und Non-Aviation-Flächen über den zweiten Bauabschnitt bis zum dritten immer mehr zum Shoppingcenter mit Flugzeuganschluss. Beim Hamburger Flughafen, den gmp ebenfalls in drei Bauabschnitten realisierte, wurde mit dem dritten Bauabschnitt gegen unseren hartnäckigen Widerstand das ursprünglich sehr logische Passagierkonzept zugunsten eines mittig angeordneten Einkaufsterminals völlig auf den Kopf gestellt. Die Länge der Passagierwege verdreifachte sich dadurch teilweise.
    Der einzige Grund für die geradezu funktionsfeindliche und nahezu jede charaktervolle Innenarchitektur verschandelnde Überfülle an Schaufenstern, Vitrinen, Grabbeltischen, endlosen T-Shirt-Ständern, Regalen und Stellagen ist die Absicht, bei möglichst vielen Fluggästen durch die körpernahe Präsentation Kaufwünsche zu wecken, nach dem Motto: »Und ist der Handel noch so klein, so bringt er mehr als Arbeit ein.« Gegenüber dieser oftmals belästigenden

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