Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)
unwirtliche Nicht-Ort-Zonen zu entwerfen, orientiert sich unser Entwurf des Hauptstadtflughafens, was Form, Funktion und die menschlichen Bedürfnisse betrifft, an Kriterien, die einen bewohnbaren Ort ausmachen, den Gegenspieler eines Nicht-Orts. Ich nenne das »sinnstiftende Architektur«. Ihre Eckpunkte sind Einfachheit, strukturelle Ordnung und eine ausgewogene Balance von Vielfalt und Einheit.
Das Ei des Kolumbus …
… habe ich nicht erfunden. Aber in der Einfachheit des Eis sehe ich gute Architektur symbolisiert. Simplizität, wie sie in einem Ei zum Ausdruck kommt, das an Einfachheit und Sinnfälligkeit in seiner Konstruktion und seinem Sein nicht zu überbieten ist. Strukturelle Ordnung, wie sie sich in einem Schneekristall zeigt, den man als Symbol für die Intention begreifen kann, der Architektur nach einem klaren, geometrisch geordneten System eine Ordnung zu verleihen und davon ausgehend die sinnfällige Organisation des Bauwerks zu generieren. Die ausgewogene Balance von Vielfalt und Einheit, wie sie beispielsweise in den historischen Städten Oberitaliens anzutreffen ist, wo jedes Haus anders ist und sich doch durch das Material, die Dimension, die Dachform in die Umgebung einfügt wie das Individuum in eine Familie. Identität, eine Unverwechselbarkeit wie die Physiognomie eines Menschen, aber baulich entwickelt aus dem Spezifischen der Situation und der Aufgabe.
Doch ohne Sinn ist alles nichts. Ich habe, solange ich als Architekt arbeite, immer eine zentrale Frage gestellt, wenn es darum ging, Architektur zu beurteilen: die Frage nach dem Sinn. Aus welchem Grund wird etwas geschaffen, für wen und mit welchem Ziel? Kurz nach dem Studium unternahm ich mit Freunden eine Reise nach Japan, das damals für uns noch fremd und sehr weit weg war. Dort stieß ich auf den Reispapierschirm, der seitdem für mich die Inkarnation all dessen ist, was ich beim Bauen für sinnvoll und richtig halte: einfache Materialien – wie in diesem Fall Papier und Bambus – zu verwenden, zweckmäßige und nicht komplizierte Techniken, die menschliche Arbeitskraft angemessen einzusetzen und dabei ein Objekt zu erzeugen, das eine so unverwechselbare und hohe Ästhetik besitzt, dass es über Hunderte von Jahren seine Gültigkeit und seine Wertschätzung nicht verliert und nicht verlieren wird. Dabei habe ich das Wichtigste noch gar nicht erwähnt, nämlich die hohe Funktionalität dieses Gebildes: schattenspendend, regenfest, und zwar ohne jede Schraube, ohne jedes Stück Draht oder Metall. Wenn es uns bei der Gestaltung unserer Umwelt gelingt, diese hohe Identität zwischen menschlichem Tun und der Gestaltung unseres Lebens herzustellen – der Gegenstände, mit denen wir uns umgeben, oder unserer Art, Häuser zu bauen – und dabei eine unverwechselbare Harmonie und Einheit zu erzeugen, dann ist das für mich das höchste Ziel. Das Ziel, nach dem man immer nur streben kann und das zu erreichen einem nie gelingen wird.
Einfachheit
Strukturelle Ordnung
Vielfalt und Einheit
Unverwechselbarkeit
Genau darin aber liegt unsere Verantwortung als Architekten: in der Stiftung von Sinn und Sinnlichkeit. Sinnlichkeit durch Architektur geht über das Erfüllen von Funktionen und ökonomischen Anforderungen hinaus. Ein Großteil der sozialen Probleme unserer Zeit ist in der Sinnentleerungdes Lebens begründet. Der Verlust von sittlichen und moralischen Werten findet seine Entsprechung in der ausschließlich auf banale Ökonomisierung orientierten Bautätigkeit. Damit wird der Baukultur jedwede Transzendenz geraubt, die doch bis heute immer noch Basis menschlicher Baugeschichte ist. Das Postulat nach sinnstiftender Architektur mag heute noch als gefühlsromantische Verirrung verlacht werden, weil es sich der Gefolgschaft des »Es muss sich aber rechnen«, wie es immer heißt, versagt. Ich bin jedoch überzeugt, dass eine Architektur, die dem menschlichen Dasein lebensinhaltliche Werte vermittelt und diese auch repräsentiert, zu einer globalen gesellschaftlichen Notwendigkeit werden muss. Allen Widrigkeiten zum Trotz!
Sinnstiftung vor Ort
Für die Einfachheit des Hauptstadtflughafens steht das One-Roof-Konzept des Terminals. Dieses Konzept versammelt alle zentralen Funktionen unter einem Dach. Die zukunftsoffene modulare Bauweise der gesamten Anlage vereinfacht außerdem spätere Erweiterungsbauten. Strukturelle Ordnung garantieren, musikalisch gesprochen, die Variationen über 6,25 Meter. Dieses Maß und
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