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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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|7| 1 Die bunte Schlange
    Kommissar John Bealfeld schreckte hoch, als sein Handy klingelte. Er sah es in der Dunkelheit leuchten, doch erst als er den Lichtschalter fand, begriff er, daß er nicht neben seiner Frau in Newark, sondern in einem Hotelbett in Spanien lag. Um genau zu sein, in Antigua. Während er sich verschlafen meldete, tauchten vor seinem geistigen Auge Bilder seiner Reise auf, die ihn einige Tage zuvor von New York hierher in die Hochebene Kastiliens geführt hatte.
    Als er die Stimme am anderen Ende der Leitung erkannte, erschrak er noch mehr. Es war Erzbischof Luigi Presti. Unverwechselbar, wie er die S-Laute durch die Zähne zischte.
    »Verzeihen Sie, daß ich Sie so früh wecke, Mr. Bealfeld, aber Sie müssen sofort kommen.«
    Der Kommissar massierte sich mit der linken Hand die Schläfen und strich sich dann über die tiefen Falten auf seiner Stirn, in dem Versuch, munter zu werden. Prestis Anruf zu nachtschlafender Zeit konnte nur eines bedeuten: Es gab ernsthafte Probleme. Der Erzbischof trug den Titel eines
nunzio apostolico
con incarichi speciali
. Aber alle Welt nannte ihn hinter vorgehaltener Hand nur den »Spion des Papstes«.
    |8| »Was ist … was ist passiert, Eure Exzellenz?« gelang es Bealfeld endlich zu stammeln.
    »Hören Sie selbst.«
    Der Kommissar preßte sein Handy gegen die Ohrmuschel und versuchte irgend etwas aus den sich überlagernden Geräuschen herauszuhören, die an sein Ohr drangen. Es klang so unheimlich, daß man fast meinen konnte, jemand ringe mit dem Tod.
    »Um Himmels willen! Was ist das?« Bealfeld war jetzt hellwach. »Von wo aus rufen Sie mich an, Eure Exzellenz?«
    »Von der Plaza Mayor.«
    »Was ist da los? Woher kommen diese merkwürdigen Geräusche?«
    »Direkt vom Platz.«
    »Okay.« Bealfeld schlug die Bettdecke zurück. »Ich mache mich gleich auf den Weg.«
    »Halt, warten Sie, ich muß Sie noch um einen Gefallen bitten. Fahren Sie beim Convento de los Milagros vorbei, und bringen Sie Mrs. Toledano mit. Ich habe im Kloster schon Bescheid gesagt. Kommen Sie nicht ohne sie.«
    War das der eigentliche Grund für Prestis Anruf? Er benötigte ihn als Chauffeur? Und das an so einem Tag. Fronleichnam. Der höchste kirchliche Feiertag in Antigua. In wenigen Stunden würde die Prozession stattfinden.
    Der Nuntius interpretierte Bealfelds Schweigen indessen als Widerwillen, seine Anordnung zu befolgen, weshalb er mit nur schwer im Zaum gehaltener Heftigkeit hinzufügte:
    »Ja begreifen Sie denn nicht, Kommissar, was hier vor sich geht? In diesen Augenblicken passiert genau das, was Sara Toledano vorausgesagt hat! Das, weshalb sie bis spät in die Nacht im Klosterarchiv diesen Inquisitionsprozeß aus dem 16. Jahrhundert untersucht. Wie heißt der Kerl noch gleich, um den es da geht …?«
    »Raimundo Randa … In Ordnung, ich fahre beim Kloster vorbei, und dann kommen wir zu Ihnen auf die Plaza Mayor.«
    »Beeilen Sie sich!«
    |9| John Bealfeld sah auf die Uhr. Es war kurz vor fünf. Ächzend wälzte er sich aus dem Bett und nahm sich wieder einmal vor, endlich etwas gegen seine Leibesfülle zu unternehmen. Für dieses Mal reichte ihm jedoch ein Sprung unter die Dusche. Er stellte sich vor den Spiegel, und sowie der Wasserdampf sich auflöste, wurden die Umrisse eines rundlichen Gesichts sichtbar, dann die Boxernase, die von der Sonne gegerbte Haut und schließlich die tiefliegenden blauen Augen über den ausgeprägten Tränensäcken. Er seufzte und fragte sich, was er hier eigentlich so weit weg von zu Hause machte und warum man ihm schon wieder Unannehmlichkeiten bereitete. Doch gleich darauf verdrängte sein Pflichtbewußtsein jeglichen Gedanken an seine Familie in den USA. Der Kommissar stieg eilig in seine Kleider, steckte seine Akkreditierungen ein und trat hinaus auf den Flur. Vor dem Aufzug fiel ihm jedoch ein, daß er etwas vergessen hatte, weshalb er noch einmal in sein Zimmer zurückkehrte, den Schrank öffnete und die Zahlenkombination des kleinen Safes einstellte. Im Tresor schob er die drei numerierten Briefumschläge beiseite, auf denen in Sara Toledanos steiler, unverwechselbarer Handschrift die Namen der jeweiligen Empfänger geschrieben standen, und griff nach seiner Pistole. So wie sich das Ganze anläßt, dachte er, ist es besser, für alle Eventualitäten gerüstet zu sein.
    In der Hotelhalle war alles ruhig; dennoch beschleunigte er seine Schritte, um dem spanischen Polizisten nichts erklären zu müssen, der als Verbindungsmann den Kontakt

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