Black Dagger 01 - Nachtjagd
dumm genug ist, seine eigene Shellan zu lieben? Du machst Witze.«
Schweigen.
Und dann sagte Tohr leise: »Ich hatte das Glück, die Liebe zu finden. Jeden Tag danke ich der Jungfrau der Schrift, dass Wellsie ein Teil meines Lebens ist.«
Wrath riss endgültig der Geduldfaden. Dabei wusste er nicht einmal genau, warum er so wütend war. »Du bist doch erbärmlich.«
Tohr zischte. »Und du bist seit hunderten von Jahren tot. Du bist einfach nur zu verderbt, um dir ein Grab zu suchen und dich hineinzulegen.«
Wrath warf die Lederjacke zu Boden. »Wenigstens stehe ich nicht total unterm Pantoffel.«
»Echt schicker Anzug, übrigens.«
Mit zwei Sätzen war Wrath bei ihm, und der andere Vampir stellte sich ihm Kopf voran entgegen. Tohrment war groß, seine Schultern waren massig, die Arme lang und kräftig. Aggression ließ die Luft zwischen ihnen flimmern.
Dann grinste Wrath kalt, und seine Fänge verlängerten sich. »Wenn du nur halb so viel Zeit in die Verteidigung unserer Rasse investieren würdest, wie du damit verbringst, deiner Frau nachzulaufen, hätten wir Darius vielleicht nicht verloren. Schon mal daran gedacht?«
Kummer brach aus seinem Bruder hervor wie Blut aus einer Wunde, weißglühender Schmerz lag in der Luft. Wrath
sog den Duft ein, nahm das Brennen der Trauer tief in seine Lungen auf, und in seine Seele. Er verachtete sich dafür, dass er einen mutigen und ehrenhaften Mann mit einem solchen Tiefschlag zu Boden geschickt hatte. Und noch während er auf Tohrs Angriff wartete, begrüßte er den Selbsthass wie einen alten Freund.
»Ich kann nicht fassen, dass du das gerade gesagt hast.« Tohrs Stimme bebte. »Du musst —«
»Ich lege keinen Wert auf deine nutzlosen Ratschläge.«
»Leck mich.« Tohr versetzte ihm einen kräftigen Stoß gegen die Schulter. »Du bekommst trotzdem einen. Du solltest besser kapieren, wer wirklich dein Feind ist, du arrogantes Arschloch. Bevor du endgültig ganz allein dastehst.«
Wrath hörte kaum, wie die Tür zugeschlagen wurde. Die Stimme in seinem Kopf, die ihn als kaputten Dreckskerl beschimpfte, übertönte alles andere.
Er holte tief Luft und leerte seine Lungen dann mit einem grimmigen Schrei. Das Geräusch hallte im Raum wieder, rüttelte an der Tür, den Waffen, dem Spiegel im Badezimmer. Die Kerzen flackerten wild, ihre Flammen leckten die Wände empor, trachteten gierig danach, sich aus ihren Dochten zu befreien und zu zerstören, was sie erreichen konnten. Er brüllte, bis sein Hals zu zerreißen drohte, bis seine Brust brannte.
Als er endlich den Mund wieder schloss, spürte er keine Erleichterung. Nur Reue.
Er ging zum Schrank und nahm eine Neun-Millimeter Beretta heraus. Er lud sie durch und steckte sie sich hinten in den Bund seiner Anzughose. Dann verließ er das Zimmer und ging die Treppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend.
J. R. Wards BLACK DAGGER
wird fortgesetzt in:
BLUTOPFER
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Beth wurde wach und vergrub sich tief in ihr Kissen.
Irgendetwas stimmte hier nicht.
Sie öffnete die Augen genau in dem Moment, als eine tiefe männliche Stimme die Stille durchbrach. »Was zum Teufel haben wir denn hier?«
Wie von der Tarantel gestochen, setzte sie sich auf. Sah sich panisch nach dem Besitzer der Stimme um.
Der Mann, der da über sie gebeugt stand, hatte ein hartes Gesicht mit einer auffälligen gezackten Narbe. Sein Haar war fast bis auf die Kopfhaut geschoren, und seine schwarzen Augen schienen sie durchbohren zu wollen. Und er bleckte lange weiße Fänge.
Sie schrie.
Er lächelte. »Mein absolutes Lieblingsgeräusch.«
Entsetzt schlug sie sich die Hände vor den Mund.
Gott, diese Narbe. Sie verlief über Stirn und Nase, über die Wange und in einem Bogen zurück zu seinem Mund. Das Ende der S-förmigen Linie verzerrte seine Oberlippe, zog sie auf der einen Seite zu einem ewigen höhnischen Grinsen nach oben.
»Bewunderst du mein Kunstwerk?«, fragte er. »Du solltest mal den Rest von mir sehen.«
Ihr Blick flog zu seiner breiten Brust. Er trug ein hautenges, langärmeliges schwarzes T-Shirt. Auf beiden Seiten drückten sich kleine Ringe durch den Stoff, als seien seine Brustwarzen gepierct. Um den Hals hatte er ein schwarzes Band tätowiert, und im linken Ohrläppchen trug er einen Pflock.
»Bin ich nicht hübsch?« Sein kalter Blick war der Stoff, aus dem Albträume gewoben werden, von dunklen Orten ohne Hoffnung, von der Hölle selbst.
Vergiss die Narbe, dachte sie. Die Augen waren das
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