Black Dagger 03 - Ewige Liebe
liebsten die Zeit vertrieb. Das One Eye lag am Rande der Stadt, deshalb bestand die Kundschaft hauptsächlich aus Bikern und Bauarbeitern, harten Burschen, die ihre Angelegenheiten lieber mit den Fäusten als über einen Anwalt regelten. Die Bar war einfach nur ein typisches Wasserloch für diese Sorte Mensch; ein flacher, schmuckloser Bau, umgeben von einem Parkplatz. Trucks, rostige Limousinen und Motorräder standen hier. Aus winzigen Fenstern schimmerten rote, blaue und gelbe Leuchtreklamen und die Logos von Bud Light oder Coors.
Für die Jungs hier brauchte es kein schnöseliges ausländisches Flaschenbier zu sein.
Während er die Autotür zuschlug, stand sein ganzer Körper unter Strom, die Haut prickelte, die Muskeln waren angespannt. Er dehnte die Arme, um die Anspannung etwas zu lösen, war aber nicht weiter erstaunt, als es nichts half. Sein Fluch meldete sich unmissverständlich zu Wort und brachte ihn in gefährliches Fahrwasser. Wenn er sich nicht bald etwas abreagierte, würde er ein ernsthaftes Problem bekommen. Verflucht, dann wäre er ein ernsthaftes Problem.
Vielen Dank auch, Jungfrau der Schrift.
Schlimm genug, dass er mit einem Übermaß an Energie und physischer Kraft auf die Welt gekommen war – ein Nichtsnutz mit einer körperlichen Gabe, die er weder zu schätzen noch sich gefügig zu machen wusste. Nein, er musste auch noch der mystischen Schöpferin ans Bein pissen, die über ihre Rasse herrschte. O Mann, sie hatte nur zu bereitwillig noch eine Schicht Mist auf den Komposthaufen
seines Lebens gekippt. Sodass er jetzt, wenn er nicht regelmäßig Dampf abließ, zur tödlichen Gefahr wurde.
Kämpfe und Sex waren die einzigen Ventile, die ihm etwas Erleichterung verschafften. Er verwendete sie wie ein Diabetiker sein Insulin. Eine stete Dosis von beidem hielt ihn einigermaßen im Gleichgewicht, aber immer half das auch nicht. Und wenn er die Balance verlor, dann wurde es für alle Beteiligten böse – inklusive seiner selbst.
Gott, er war es so leid, ein Gefangener seines Körpers zu sein, gehorsam seine Anforderungen zu erfüllen, um nicht in dem brutalen Vergessen zu versinken. Sicher, sein umwerfendes Gesicht und die körperliche Kraft waren schön und gut. Aber beides hätte er liebend gern mit einem dürren, hässlichen Nichtskönner getauscht, wenn er sich dafür etwas Frieden hätte erkaufen können. Er konnte sich nicht daran erinnern, wie sich Gelassenheit anfühlte. Er wusste nicht einmal mehr, wer er wirklich war.
Das Gefühlschaos hatte ziemlich bald eingesetzt. Nur wenige Jahre, nachdem er den Fluch kassierte, hatte er die Hoffnung auf wahre Erleichterung aufgegeben und einfach nur versucht durchzukommen, ohne jemandem wehzutun. Damals hatte sein inneres Sterben begonnen und jetzt, über einhundert Jahre später, war er fast völlig abgestumpft. Nichts als schimmerndes Blendwerk und die leere Hülle seines Charmes.
Er hatte längst aufgehört, sich selbst als etwas anderes als eine Bedrohung anzusehen, zumindest in den Bereichen, die wirklich zählten. Denn die Wahrheit war, dass niemand in seiner Nähe sicher war. Und das war es, was ihn wirklich kaputtmachte, mehr noch als der körperliche Stress, den er auszuhalten hatte, wenn der Fluch sich Bahn brach. Er lebte in der ständigen Angst, einen seiner Brüder zu verletzen. Und seit ungefähr einem Monat auch Butch.
Rhage ging um den Wagen herum und sah durch die
Windschutzscheibe den Menschen dahinter an. Wahnsinn, wer hätte gedacht, dass er mal so gut mit einem Homo sapiens auskommen würde?
»Kommst du später noch vorbei, Bulle?«
Butch zuckte die Achseln. »Weiß noch nicht.«
»Viel Glück, Mann.«
»Warten wir es ab.«
Rhage fluchte leise, als der Escalade davonfuhr und er und Vishous über den Parkplatz liefen.
»Wer ist sie, V? Eine von uns?«
»Marissa.«
»Marissa? Die Marissa? Wraths ehemalige Shellan ?«
»Ich quäle ihn nicht damit. Und das solltest du auch nicht tun.«
»Bist du denn gar nicht neugierig?«
V gab keine Antwort, sondern blieb stattdessen vor dem Eingang zur Bar stehen.
»Ach, natürlich. Du weißt es schon, oder?«, sagte Rhage. »Du weißt schon, was passieren wird.«
V hob kaum merklich die Schultern und legte die Finger auf die Klinke.
Aber Rhage bremste ihn mit einer Hand. »Hey, V, träumst du auch manchmal von mir? Siehst du meine Zukunft?«
V wirbelte den Kopf herum. Im Neonschein einer Bierreklame wurde sein linkes Auge – das mit den Tätowierungen darum herum –
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