Black Dagger 14 - Blinder König
… na ja, hatten er und Wrath etwas gemeinsam, oder etwa nicht?
Aus gänzlich unerfindlichen Gründen musste Rehv daran denken, von wo aus der König der Symphathen regierte. Ein einfacher Sessel auf einem weißen Marmorsockel. Nichts Besonderes, aber andrerseits zählten da oben die geistigen Kräfte – auf äußere Zeichen der Autorität wurde wenig Wert gelegt.
Das letzte Mal war Rehv im Thronsaal gewesen, als er seinem Vater die Kehle aufgeschlitzt hatte, und er erinnerte sich daran, wie das blaue Blut des Mannes über den feinkörnigen, makellosen Marmor gelaufen war wie Tinte aus einem verschütteten Fass.
Das Bild behagte Rehv nicht sonderlich. Nicht, weil er seine Tat bereute, sondern … was, wenn ihm die gleiche Zukunft blühte? Wenn er sich Wrath fügte, würde ihm dann auch irgendwann ein Mitglied seiner Sippe ein Messer in den Rücken rammen?
War das das Schicksal, das ihn erwartete?
Gefangen in seinen Gedanken, blickte er zu Ehlena hinüber … und fand bei ihr die Kraft, die er brauchte. Sie sah mit solch fester, brennender Liebe zu ihm auf, dass ihm sein Schicksal gleich schon viel weniger düster erschien.
Und als er den Blick wieder auf Wrath richtete, sah er, dass der König seine Shellan auf die gleiche Weise hielt, wie er seine.
Hier war das Modell für ihn, dachte Rehv. Direkt vor ihm saß sein Vorbild: Ein guter, starker Führer mit einer Königin, die an seiner Seite stand und mit ihm zusammen regierte.
Nur, dass seine Untertanen ganz anders waren als die von Wrath. Und Ehlena nicht mit der Kolonie in Berührung kommen durfte. Niemals.
Obwohl sie sicher eine gute Ratgeberin wäre: Er konnte sich niemanden vorstellen, von dem er sich lieber Ratschläge erteilen ließe … außer diesem verdammten Vampir auf seinem Thron ihm gegenüber.
Rehv nahm Ehlenas Hand. » Hör gut zu. Wenn ich mich dazu bereiterkläre, zu regieren, dann habe nur ich Kontakt mit der Kolonie. Du kannst dort nicht mit hinauf. Und ich sage dir schon jetzt: Es werden hässliche Dinge passieren. Sehr hässliche Dinge. Dinge, die deine Meinung von mir vielleicht ändern werden … «
» Entschuldige, aber das haben wir doch alles schon gehabt. « Ehlena schüttelte den Kopf. » Und was auch passiert, du bist ein guter Kerl. Das wird immer überwiegen – du hast es mehrfach bewiesen, und eine größere Garantie gibt es für niemanden. «
» Gott, ich liebe dich. «
Und doch, als sie ihn anstrahlte, musste er sich noch einmal vergewissern. » Aber bist du dir wirklich sicher? Wenn wir das einmal … «
» Ich bin mir absolut, total « – sie ging auf die Zehenspitzen und küsste ihn – » sicher. «
» Heiße Scheiße. « Wrath klatschte in die Hände, als hätte sein Lieblingsteam gerade ein Tor geschossen. » Ich lobe mir eine Frau von Wert. «
» Ja, ich mir auch. « Mit einem kleinen Lächeln schloss Rehv seine Shellan in die Arme und hatte das Gefühl, dass sich seine Welt gerade in so vielerlei Hinsicht zurechtgerückt hatte. Wenn sie jetzt nur noch Xhex zurückholen könnten.
Aber das war allein eine Frage der Zeit, sagte er sich.
Als Ehlena den Kopf an seine Brust legte, rieb er ihren Rücken und blickte zu Wrath. Nach einem Moment wandte sich der König von seiner Königin ab und sah Rehv an, als spürte er seinen Blick.
In der Stille dieses entzückend hellblauen Arbeitszimmers wurde ein seltsamer Bund geschlossen. Obwohl sie sich in so vielem unterschieden, obwohl sie so wenig gemeinsam hatten und sich kaum kannten, verband sie doch eine Gemeinsamkeit, die sie mit niemand sonst auf diesem Planeten teilten.
Sie waren Herrscher, die allein auf ihrem Thron saßen.
Sie waren … Könige.
» Das Leben ist ein herrliches Chaos, nicht wahr? « , murmelte Wrath.
» Ja. « Rehv küsste Ehlena auf den Scheitel und dachte, bevor er ihr begegnet war, hätte er das »herrlich« aus diesem Satz gestrichen. » Ganz genau das ist es. «
J. R. Wards
BLACK DAGGER
wird fortgesetzt in:
V a m p i r s e e le
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Auf der anderen Seite der Stadt, fernab von den Bars und Tätowierstudios in der Trade Street, in einem Viertel mit Sandsteingebäuden und Kopfsteinpflastergassen, stand Xhex an einem Erkerfenster und blickte durch die alte, verzogene Scheibe nach draußen.
Sie war nackt und fror, und ihr Körper war mit blauen Flecken übersät.
Aber sie war nicht schwach.
Unten auf dem Gehsteig spazierte eine Menschenfrau mit einem kleinen Kläffer an der Leine und ihrem Handy am Ohr vorbei. Auf der
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