Blackout (German Edition)
Typen nur einschüchtern. Aber heute war definitiv nicht sein Glückstag. Ein großer Kerl in einer schwarzen Lederjacke baute sich vor ihm auf.
»Du kleiner Wichser! Kennst du mich noch?«
»Sollte ich?«, fragte Nick. Natürlich kannte er den Typen. Das war Kristens Freund. Damals.
»Ja, solltest du! Man vergisst niemanden, dessen Motorrad man verschrottet hat.« Lederjacke machte einen Schritt auf Nick zu und stellte sich bedrohlich nahe vor ihn hin. »Stundenlang habe ich daran gearbeitet. Und dein Alter meinte, es sei alles in Ordnung, wenn er mir ein neues kauft. Aber so einfach ist das nicht, verstehst du?«
Nick schenkte sich die Antwort auf diese Frage. Es war sinnlos. Lederjacke wollte Rache.
Die Typen hatten einen engen Kreis um ihn gebildet.
»Hey, lass gut sein. Ist doch schon lange gegessen«, versuchte er es.
»Nein, ich lass es nicht gut sein.«
Nick sah sich um. Dicht gedrängt standen die Typen da. Mitten unter ihnen entdeckte er Finn, der ihn genauso grimmig ansah wie die anderen.
»Finn, kannst du dem Typen mal erklären, dass ich keinen Bock auf eine Prügelei habe?«
Finn zuckte mit den Schultern. Von ihm konnte Nick keine Unterstützung erwarten.
»Ach sieh an! Keine Lust? Glaubst du wirklich, es ginge hier darum, was du willst?«, fragte Lederjacke höhnisch.
Nick hatte Angst vor den Konsequenzen, aber da war noch ein anderes Gefühl; die Erinnerung an den Kick vor einer Schlägerei, dieses Kribbeln, bevor es losgeht. Er versuchte, ruhig zu bleiben.
»Hab meinen Arm gerade aus dem Gips raus und einfach keine Lust, ihn gleich wieder eingipsen zu müssen.«
Lederjacke lachte. »Okay, Feigling. Wir wollen mal großzügig sein und deine Arme schonen. Aber nur die Arme, Jungs. Verstanden?«
Das war das Startsignal. Nick versuchte gar nicht erst zu entkommen. Er war vorbereitet, dennoch überraschte ihn die Wucht des ersten Schlages. Er taumelte zurück und prallte gegen einen anderen Kerl, der ihn grob weiterschubste. In wenigen Sekunden wurde Nick zum Punchingball. Immer härter trafen ihn die Schläge. Er schlug zurück, doch er hatte keine Chance. Nach kurzer Zeit lag er am Boden, begraben unter zwei der Typen. Sein frisch verheilter Arm schmerzte, aber Nick gab keinen Ton von sich.
»So, und jetzt zeig ich dir mal, wie sich mein Motorrad gefühlt hat«, zischte ihm Lederjacke ins Ohr. Zusammen mit einem Kumpel zerrte er Nick hoch und zog ihn über die Straße, mitten auf den Verkehrskreisel, zum Brunnen mit den Wasserfontänen. Der Rest der Clique folgte ihnen.
»Rein mit ihm«, befahl Kristens Freund.
Thomas, fuhr es Nick durch den Kopf, Thomas heißt er.
Das Wasser war eiskalt. Der Preis für das beschissene Motorrad eines beschissenen Typen. Nick hatte schon Schlimmeres überstanden.
Doch er hatte Thomas unterschätzt. Während zwei der Schläger ihn festhielten, drückte Thomas Nicks Kopf unter Wasser, so lange, bis Nick glaubte, es nicht mehr auszuhalten. Keinen Moment zu früh wurde sein Kopf aus dem Wasser gerissen, er schnappte nach Luft, wollterufen, sie sollten aufhören, aber schon war er wieder unter Wasser. Diesmal dauerte es noch länger, bis sie ihn herauszogen. Nick riss den Mund auf und sog mit einem pfeifenden Geräusch Luft in seine schmerzenden Lungen.
»Scheißgefühl, nicht wahr?«, hörte er Thomas’ Stimme an seinem Ohr. Nick spuckte und würgte. Nicht noch mal, dachte er, doch erbarmungslos drückte ihn Thomas zurück ins Wasser. Panik überkam ihn. Er wusste, dass sein Atem nicht ausreichen würde. Verzweifelt strampelte er mit den Beinen, seine Knie schlugen auf den Boden des Brunnens. Er hielt aus, solange er konnte, dann öffnete er reflexartig den Mund, um Luft zu bekommen. Aber da war nur Wasser, das in seinen Mund strömte. Starke Hände pressten seinen Kopf nach unten. Noch nie in seinem Leben hatte Nick solche Angst gehabt. Er wollte gegen die Hände und den Druck ankämpfen, aber er fühlte, wie ihn die Kraft verließ. Ein letztes Mal bäumte sich sein Wille auf, doch seine Beine gehorchten ihm nicht mehr und hörten auf zu treten, sein Körper wurde schlaff und ein großes schwarzes Loch raste auf ihn zu.
Kurz bevor ihn das Loch erreichte, sah er ganz klar ein Bild vor sich. Es war sein achter Geburtstag, er saß vor einem Kuchen mit brennenden Kerzen und seine Mutter lächelte ihn an. Ein wunderschönes Bild und er wollte nur noch eins, dieses Bild im Kopf festhalten, für immer. Doch das Loch saugte ihn ein, das Bild löste sich auf
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