BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
ihrer Drehgeschwindigkeit.
Mit einem Mal war ihm klar, was er hörte. Er griff zu seinem Funkgerät und rief die Kollegen im Schaltraum an.
»Hier stimmt was nicht!«
Durch das statische Rauschen und Knacken des Lautsprechers hörte er die Stimme seines Kollegen.
»Sehen wir auch! Wir haben einen plötzlichen Frequenzabfall im Netz!«
Das Dröhnen in der Halle wurde lauter, durchsetzt von einem unregelmäßigen Stampfen. Oberstätter beobachtete nervös die großen Zylinder und rief in das Mikrofon: »Das klingt aber eher nach Überfrequenz! Die gehen in die Knie! Tut etwas!«
Was faselten die da von Frequenzabfall? Diese Generatoren waren über-, nicht unterlastet. Wer sollte auf einmal so viel Strom verbrauchen? Die Generatoren verhielten sich genau umgekehrt. Als ob da draußen gerade eine Menge Verbraucher weggefallen waren. Wenn die Frequenz im Stromnetz so instabil war, dass sie sogar ihre Generatoren erreichte, gab es da draußen gröbere Probleme. War irgendwo großflächig der Strom ausgefallen? Dann saßen jetzt Zehntausende Österreicher im Dunklen.
Entsetzt verfolgte Oberstätter, wie die roten Riesen erst zu vibrieren, dann zu springen begannen. Wurde die Drehzahl zu hoch, zerstörte ihre eigene Fliehkraft die Maschinen. Zeit für eine automatische Notabschaltung.
»Abdrehen!«, brüllte Oberstätter ins Funkgerät, »oder uns fliegt hier alles um die Ohren!«
Fasziniert erstarrte Oberstätter angesichts dieser kaum mehr gebändigten Kraft, deren Lärm nun alles übertönte. Die drei Megamaschinen hoben und senkten sich unregelmäßig, und er wartete nur darauf, dass sie wie das Ventil eines Druckkessels nach oben durch die Hallendecke schossen.
Dann wurde es schlagartig leiser.
Oberstätter spürte, wie die Vibrationen nachließen. Die Erschütterungen konnten nur Sekunden angedauert haben. Ihm waren sie wie eine Ewigkeit vorgekommen.
Die plötzliche Stille war gespenstisch. Erst jetzt realisierte er, dass der Raum nicht mehr von den Neonröhren beleuchtet wurde. Nur die Bildschirme und die Notlichter glommen noch.
Die Maschinen waren gestoppt. Vermutlich war es soeben in halb Niederösterreich dunkel geworden. Erst jetzt fühlte er den Schweiß auf seiner Stirn.
»Okay, ist noch einmal alles gut gegangen!«, sagte er etwas ruhiger in sein Funkgerät. »Was war denn da oben los? Wieso habt ihr nicht früher abgeschaltet?«
»Wieso abschalten? Wir hatten einen Frequenzabfall und mussten mehr Wasser durchschicken.«
»Das klang hier anders. Wir müssen so schnell wie möglich wieder hochfahren und synchronisieren.«
»Ich weiß nicht, ob das so einfach wird«, antwortete die knackende Stimme aus dem Hörer. »Komm mal her und sieh dir das an. Wir sind hier nicht die Einzigen, denen es so geht.«
Brauweiler
»Schweden, Norwegen und Finnland im Norden, Italien und die Schweiz im Süden sind weg«, erklärte der Operator, dem Jochen Pewalski gerade über die Schulter sah. »Ebenso Teile der Nachbarstaaten Dänemark, Frankreich, Österreich, aber auch von Slowenien, Kroatien und Serbien. E.ON meldet ein paar Ausfälle, Vattenfall und EnBW stehen komplett auf Gelb. Die Franzosen, Polen, Tschechen und Ungarn auch. Und Flecken auf den Britischen Inseln.«
Jochen Pewalski, Leiter der Systemführung Netze der Amprion GmbH, arbeitete seit über dreißig Jahren in dem Komplex nahe Köln, der 1928 als Schaltzentrale für das Übertragungsnetz des damaligen Rheinischen Westfälischen Elektrizitätswerks RWE entstand und lange als »Hauptschaltleitung Brauweiler« bekannt gewesen war. Die riesige Tafel, sechzehn mal vier Meter groß, mit den roten, gelben und grünen Linien sowie die zahlreichen Bildschirme an den Arbeitsplätzen der Operatoren erinnerten ihn jeden Tag an die Verantwortung, die er und seine Mannschaft in diesem Raum trugen.
In Brauweiler überwachten, steuerten und führten sie das gesamte Übertragungsnetz von Amprion, einem der vier großen deutschen und damit auch einem der größten europäischen Netze, für die Spannungsebenen 380 kV und 220 kV.
Dazu koordinierten sie den Verbundverkehr der vier großen Übertragungsnetzbetreiber für ganz Deutschland. Außerdem oblag ihnen die Koordination und Systembilanzierung für den gesamten nördlichen Teil des europäischen Übertragungsnetzes. Dazu gehörten Belgien, Bulgarien, Deutschland, Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Slowakei, Tschechien und Ungarn.
Seit der Liberalisierung der Strommärkte vor einigen Jahren waren
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