Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
Vorwort
Das Leben eines Fußballprofis ist ein Leben »zwischen zwei Welten«. Ich denke, es gibt kein besseres Bild, das das Leben innerhalb der großen Fußballwelt beschreiben kann. Jeder, der selbst die Erfahrung machen durfte, Teil der Fußballmaschinerie zu sein, weiß, was ich damit meine. Der Fußball an sich ist ein Paradoxon – er vereint die Menschen und trennt sie gleichzeitig in zwei Lager. Fußball lässt die Gewinner in unbegrenzten Freudentaumel ausbrechen und stürzt die Verlierer in tiefe Depressionen. Fußball – das ist gleichzeitig Liebe und Hass, das ist natürliche Eleganz gepaart mit rauer Härte. Kreative Finten und Tricks stehen blindem Gehorsam gegenüber. Fußball ist für mich die Kunst der sich verbindenden Gegensätze.
Dazwischen steht der Spieler. Mal ist er Gewinner, mal Verlierer. Mal ist er Held, mal Versager. Nur selten wird ihm die Chance gegeben, im Gleichgewicht zu sein oder, anders gesagt, normal sein zu dürfen. Er muss funktionieren, Woche für Woche. Manchmal auch häufiger. Er muss seine Leistung permament abrufen können, darf sich keine Fehler erlauben, denn für Fehler wird er nicht bezahlt. Der Fan will einen Helden, will seine Mannschaft siegen sehen, um das eigene Dasein mithilfe quasi übermenschlicher Höhepunkte aufzuwerten.
Der General Manager von Real Madrid und ehemalige Weltmeisterstürmer von Argentinien, Jorge Valdano, zitiert in seinem Buch »Über Fußball« Professor Luis Meana: »Das Stadion ist in der Logik des Systems dazu bestimmt, zu einem gesellschaftlichen Geruchsbeseitiger zu werden«.
Um daher dem gesellschaftlichen Anspruch nach spektakulärer Unterhaltung gerecht werden zu können, werden Bilder geschaffen, Helden erzeugt, Geschichten gefunden und produziert. Gerüchte über sensationelle Transfers werden in die Welt gestreut, um das zahlende Publikum zufrieden stimmen zu können. Kurz, um es bei Laune zu halten.
Nicht jeder Spieler verkraftet diese zum Teil gefühllose Maschinerie. Dieses Hin-und-hergerissen-Sein. Dieses Auf-Knopfdruck-funktionieren-Müssen. Nicht jeder schafft daher den Weg nach ganz oben. Nicht jeder Spieler lässt sich optimal vermarkten, denn nicht jeder Spieler entspricht dem Ideal der Werbeindustrie und der Medien. Daher gibt es viele, über die man nicht spricht. Die nicht beachtet werden. Doch gerade erst die machen das Spiel komplett. Machen es zu dem, was es ist. Nur durch die enorme Vielschichtigkeit der beteiligten Spieler kann die Faszination des Fußballs entstehen.
An dieser Stelle möchte ich nochmals den Bogen zu Jorge Valdano spannen. In seinem Artikel über »Fußball und Leben« beschreibt er seine ersten persönlichen Erfahrungen in Bezug auf das Wesen einer Fußballmannschaft: »Wir zeigten uns schließlich alle so, wie wir waren. So konnte man leicht den mannschaftsdienlichen und den egoistischen Spieler, den mutigen und den feigen, den neidischen, den altruistischen, den unsicheren, den traurigen und alle anderen erkennen, die die komplexe menschliche Fauna ausmachen können.« Nur durch die Zusammensetzung dieser enormen Vielschichtigkeit kann sich der Fußball voll entfalten.
Gleichzeitig bietet der Fußball jedem die Chance zu gewinnen. Der Fußball selbst aber gewinnt nur dann, wenn er sich selbst jedem sich bietenden Talent öffnet und es zulässt. Daher sind wir Betreuer, wir Trainer, gefordert, jedem aufkommenden Talent das entsprechende Umfeld zu bieten, damit es sich entfalten und optimal entwickeln kann.
Bevor wir uns daher über die fußballspezifischen Parameter und Fähigkeiten jedes Spielers den Kopf zerbrechen, müssen wir uns darüber im Klaren sein, was die Grundmotivation des Spielers ist. Im Prinzip sucht jeder Spieler nach Bestätigung. Er sucht wie jeder andere Mensch nach Stärke, Sicherheit und Liebe (frei nach den beiden englischen Sportpsychologen John Syer und Christopher Connolly). Nur haben eben manche Fußballer in ihrer Kindheit entdeckt, dass sie durch Ausleben ihrer fußballerischen Fähigkeiten an Stärke gewinnen (indem sie besser sind als andere), dadurch selbstsicherer werden (weil sie mehr gewinnen als andere) und daher von ihrer Außenwelt beachtet und geschätzt werden. Für viele waren diese positiven Kindheitserlebnisse der mentale »Kick-off« und der Grundstein zur späteren Fußballkarriere.
Doch eine Profikarriere ist wie eine Achterbahnfahrt – jedoch ohne spezielle psychologische Vorbereitung und ohne Kenntnis der Fahrtstrecke. Keiner weiß, wie
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