Blankes Entsetzen
gelernt.
Die Krankenschwester Clare Killin hatte Dienst in der Notaufnahme, als Novak am Nachmittag der Schlägerei dort hineinhumpelte, um die schlimmste seiner Platzwunden auf der Stirn nähen zu lassen. Es sei eine Sache, gestand Novak ihr, sich gelegentlich einer Faust oder sogar einem Stiefel zu stellen, aber Nadeln seien eine völlig andere Geschichte.
»Ich tue mein Bestes«, versicherte sie ihm. Ihre Stimme war sanft, und sie sprach mit leichtem Edinburgher Akzent.
»Wollen Sie sich denn nicht über mich lustig machen?«, fragte er.
»Würde Ihnen das helfen?«
»Kein bisschen.«
»Das dachte ich mir.« Sie drehte sich um. »Möchten Sie die Augen schließen?«
Novak betrachtete ihr hübsches Gesicht, die ruhigen braunen Augen, den schönen Mund und das rote lockige Haar, das sie zu einem Zopf zusammengebunden trug, aus dem ein paar einzelne Strähnen entkommen waren. »Ich glaube, ich lasse die Augen lieber auf«, sagte er. »Wenn Sie nichts dagegen haben.«
Zwei Wochen nach ihrem ersten gemeinsamen Abendessen zog Clare in seine Wohnung, und drei Monate später heirateten sie in aller Stille. Keiner von beiden hatte Verwandte in der Nähe; Novak hatte seinen tschechischstämmigen Vater und seine englische Mutter vor sieben Jahren bei einem Flugzeugabsturz verloren, und Clares verwitweter Vater, Malcolm Killin, lebte in Schottland. Aber beide hatten ohnehin keinerlei Bedürfnis nach Familie oder jemand anderem verspürt.
In diesen glücklichen Anfangstagen war ein gelegentlicher schwieriger Klient oder die ständige Herausforderung, mit der Detektei den Lebensunterhalt zu bestreiten, die einzige Belastung in Novaks Leben. Clare hingegen erlebte eine ganz andere Dimension von Stress, da sie fast jeden Tag mit so viel Schmerz und Kummer konfrontiert wurde, wie Novak es sich nicht einmal ausmalen wollte. Als sie schließlich völlig ausgebrannt war – nach Einschätzung einer Kollegin war Clare einfach zu mitfühlend, um den Arbeitsalltag in der Notaufnahme über Jahre hinweg ertragen zu können –, fürchtete er, sie auf irgendeine Weise im Stich gelassen zu haben.
Fest entschlossen, Clare wieder zu ihrer früheren Stärke zu verhelfen, verbannte Novak die Detektei auf Platz zwei in seinem Leben – und das Geschäft litt entsprechend darunter. Clare kehrte allerdings nie mehr in die Notaufnahme zurück, und Novak unterstützte ihre Entscheidung. Das Krankenhaus war sehr hilfsbereit und schlug den Wechsel in eine andere Abteilung vor, während Novak den Vorschlag machte, sie solle sich als private Pflegerin versuchen, doch Clare lehnte beides ab.
»Für mich gibt es nur den Job in der Notaufnahme, sonst nichts«, sagte sie. »Was mir dort zu schaffen gemacht hat, ist gleichzeitig genau das, was ich an der Arbeit dort liebe.« Sie blickte Novak an – mit einem seltsamen, forschenden Blick.
»Was ist?«, fragte er beunruhigt.
»Jetzt bist du sicher enttäuscht von mir.« Es war eine Feststellung.
»Wie kommst du denn auf die Idee?«
»Du hast eine Krankenschwester geheiratet. Noch dazu eine, die an diesem Beruf hängt.«
»Ich habe dich geheiratet, Clare. Eine sensible, fürsorgliche Frau.«
»Dann liebst du mich immer noch?«
»Mehr denn je«, antwortete er beinahe heftig. »Mehr als alles andere auf der Welt.«
Kurze Zeit später fragte er Clare, ob sie sich vorstellen könne, ihn in der Detektei zu unterstützen, und war überrascht und hocherfreut zugleich von ihrer lebhaften Zustimmung – und bald schon beeindruckt von dem, was sie leistete. Clare entpuppte sich als großes Organisationstalent, und sie war unschlagbar darin, Mängel aufzuspüren. Nach nicht einmal zwei Wochen hatte sie genug Selbstvertrauen, um den größten Teil der administrativen und buchhalterischen Aufgaben zu übernehmen, was Novak die Freiheit ließ, wenigstens einige seiner früheren Stammklienten – zwei Scheidungsanwälte, eine große Zeitarbeitsfirma und Robin Allbeury – davon zu überzeugen, dass er wieder im Geschäft sei.
Clare schrieb sich an einer Abendschule ein und belegte Buchhaltungs- und Betriebswirtschaftskurse. Sie lernte gern und genoss es, ihre neu erworbenen Fähigkeiten bei der Reorganisation der Detektei einzusetzen, wobei es ihr gleichzeitig gelang, die laufenden Kosten zu senken. So hatte sie, zu Novaks Erleichterung und Dankbarkeit, maßgeblichen Anteil daran, dass die Detektei zum ersten Mal kostendeckend arbeitete und sich kurz darauf in die Gewinnzone bewegte. Mit anhaltendem
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