Bleakhouse
Parkhüter.
Als der Phaethon vorfuhr, bemerkten wir, daß zwei Personen drin saßen. Mit einigen Mänteln und Tüchern im Arm stieg zuerst die Französin aus, die ich in der Kirche gesehen hatte, und dann das hübsche Mädchen. Die Französin mit einer gewissen trotzigen Zuversicht, das Mädchen verlegen und zögernd.
»Was heißt das?« fragte Mylady. »Zwei?!«
»Ich bin für jetzt noch Ihre Kammerfrau, Mylady«, sagte die Französin. »Der Bote verlangte nach der Zofe.«
»Ich fürchtete, Sie könnten mich meinen, Mylady«, entschuldigte sich das hübsche Mädchen.
»Ich meinte auch dich, mein Kind«, entgegnete Lady Dedlock ruhig. »Gib mir diesen Schal um.«
Sie bückte sich ein wenig, und das hübsche Mädchen ließ das Tuch leicht auf ihre Schultern fallen. Die Französin stand unbeachtet daneben und sah mit krampfhaft zusammengepreßten Lippen zu.
»Es tut mir leid«, wendete sich Lady Dedlock zu Mr. Jarndyce, »daß wir unsre frühere Bekanntschaft wahrscheinlich nicht erneuern können. Sie werden mir erlauben, den Wagen für Ihre beiden Mündel wieder herzuschicken. Er wird gleich zurück sein.«
Da mein Vormund um keinen Preis dieses Anerbieten annehmen wollte, verabschiedete sie sich mit Anmut von Ada – nicht von mir –, legte ihre Hand auf seinen dargebotnen Arm und stieg in den Wagen, der eine kleine, niedrige Parkchaise mit einem Halbdach war.
»Steig ein, Kind«, sagte sie zu dem hübschen Mädchen. »Ich werde dich brauchen. Fahren Sie zu.«
Der Wagen fuhr fort, und die Französin, die mitgebrachten Plaids auf dem Arm, blieb stehen, wo sie ausgestiegen war.
Ich glaube, Stolz kann nichts so wenig vertragen als wieder Stolz, und sie war bestraft für ihr herrisches Wesen. Ihre Rache war das eigentümlichste, was ich mir denken kann. Sie blieb regungslos stehen, bis der Wagen in die Auffahrt eingebogen war, und zog dann, ohne eine Miene zu verziehen, die Schuhe aus, ließ sie auf dem Rasen stehen und ging langsam und wohlüberlegt gerade durch die nassesten Stellen des Grases dem Wagen nach.
»Ist das Mädchen verrückt?« fragte mein Vormund.
»O nein, Sir«, sagte der Parkhüter, der ihr mit seiner Frau nachsah. »Hortense ist gar nicht verrückt. Sie ist so klar im Kopf wie irgendeine, aber schrecklich obenhinaus und leidenschaftlich. – Sie ist furchtbar wütend, weil man ihr gekündigt hat und ihr andre vorgezogen werden.«
»Aber warum geht sie ohne Schuhe durch das Wasser?«
»Nun, vielleicht um sich abzukühlen«, meinte der Mann.
»Oder vielleicht bildet sie sich ein, es sei Blut«, sagte die Frau. »Die würde ebensogut durch Blut wie durch alles andre gehen, wenn es ihr einmal in den Kopf steigt.«
Wenige Minuten später kamen wir in der Nähe des Herrenhauses vorbei. Es sah jetzt, wo überall ringsum Diamantentropfen glitzerten, ein leichter Wind wehte, die Vögel nicht mehr ängstlich schwiegen und wieder laut sangen und alles von dem Regen erfrischt war und der Wagen auf der Auffahrt glänzte wie ein Feenwagen aus Silber, noch friedlicher aus.
Immer noch voll Fassung und Ruhe, auch eine friedliche Gestalt nach ihrer Art in der Landschaft, ging Mademoiselle Hortense ohne Schuhe durch das nasse Gras.
19. Kapitel
Marsch vorwärts
Um Chancery-Lane haben die Gerichtsferien begonnen. Bürgerliches Recht und römisches Recht, diese guten Schiffe, diese teakholzgebauten, kupferbeschlagenen, eisengegürteten, erzgestirnten und doch nichts weniger als schnellsegelnden Klipper liegen abgetakelt im Dock. Der »Fliegende Holländer« mit seiner Mannschaft gespenstischer Klienten, die alle, denen sie begegnen, anflehen, ihre Leidensgeschichte anzuhören, ist für jetzt Gott weiß wohin verschlagen worden. Die Gerichtshöfe sind sämtlich geschlossen, die öffentlichen Ämter liegen in einem heißen, schweißtreibenden Schlaf, selbst die Westminster-Hall ist eine schattige, einsame Insel, wo Nachtigallen singen und eine zärtlichere Klasse von Prozessanten, als man sie gewöhnlich dort findet, spazieren gehen könnte.
Der »Tempel«, Chancery-Lane, Serjeant's-Inn und Lincoln's-Inn bis hinaus zu Lincoln's-Inn-Fields sind wie Fluthäfen zur Ebbezeit, wo gestrandete Prozesse und Kanzleien vor Anker hoch und trocken auf dem Schlamm der Ferienzeit liegen und unbeschäftigte Schreiber sich auf Stühlen schaukeln, die erst wieder auf die vier Beine zu stehen kommen, wenn die Strömung der Gerichtszeit wiederkehrt. Die Tore der Kanzleilokale sind zu Dutzenden geschlossen, und Briefe
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