Bleakhouse
Flaschen aller Art: Wichsflaschen, Medizin-, Ingwerbier- und Sodawasserflaschen, Einmachgläsern, Wein- und Tintenkrügen. Besonders letztere verliehen dem Laden das Aussehen, zumal er in der Nachbarschaft eines Gerichts sich befand, als ob er gewissermaßen ein schmieriger Schmarotzer oder verstoßener Verwandter des Gesetzes sei. Ihre Zahl war sehr groß. Vor der Tür stand eine kleine, wacklige Bank mit modrigen alten Bänden darauf und einem Zettel:
Juristische Bücher, 9 d das Stück
Von den erwähnten Inschriften waren mehrere mit einer Kanzlistenhand geschrieben, ähnlich den Akten, die ich in der Kanzlei von Kenge & Carboy gesehen, und den Briefen, die ich während so langer Zeit empfangen hatte. Mitten unter ihnen prangte ein Zettel von der gleichen Handschrift, der aber nichts mit dem Geschäfte zu tun hatte, sondern meldete, daß ein anständiger Mann von fünfundvierzig Jahren sich zum reinlichen und pünktlichen Abschreiben juristischer und anderer Schriften empfehle: Adresse: Nemo, abzugeben bei Mr. Krook, hierselbst.
Auch einige alte Advokatentaschen, blaue und rote, hingen herum. Nicht weit von der Tür lagen im Laden auf dem Fußboden Haufen von alten zerknitterten Pergamentrollen und vergilbten Akten mit großen Eselsohren. Die rostigen Schlüssel, die als altes Eisen zu Hunderten übereinander gehäuft waren, mochten wohl früher dazu bestimmt gewesen sein, die Zimmer oder die Akten- und Geldschränke von Kanzleien abzuschließen. Dicke Lumpenbündel, halb aus einer einbeinigen hölzernen Waagschale, die ohne Gegengewicht von einem Balken herabbaumelte, heraushängend, schienen aus zerrissenen Talaren von Anwälten zu bestehen, man brauchte sich nur noch einzubilden, wie Richard Ada und mir zuflüsterte, als wir in der Türe standen, daß der Haufen abgenagter Knochen in der Ecke aus Klientengebeinen bestünde, und das Bild wäre vollständig gewesen.
Da es immer noch neblig und dunkel war und außerdem die nur wenige Schritte entfernte Mauer von Lincoln's-Inn das Licht absperrte, würden wir wenig gesehen haben, wenn sich nicht ein alter Mann mit Brille und Pelzmütze im Laden mit einer brennenden Laterne herumbewegt hätte. Er wendete sich zufällig nach der Tür und erblickte uns.
Er war klein, leichenhaft und verwittert; der Kopf stak ihm schief zwischen den Schultern, und wie der Atem als sichtbarer Dampf aus seinem Munde kam, sah der Mann aus, als ob er inwendig brenne. Hals, Kinn und Augenbrauen waren so bereift mit weißen Haaren und so runzlig von Adern und Hautfalten, daß er aussah wie eine alte überschneite Wurzel.
»Hihi«, sagte der Alte und trat in die Tür. »Haben Sie etwas zu verkaufen?«
Wir wichen natürlich einen Schritt zurück und sahen unsere Führerin an, die sich bemühte, das Haustor mit einem Schlüssel zu öffnen, nach dem sie lange in der Tasche herumgesucht hatte. Richard sagte zu ihr, wir wollten uns, zumal wir nicht viel Zeit hätten, verabschieden, da wir ihre Wohnung jetzt wüßten. Aber so leichten Kaufes war von ihr nicht loszukommen. Sie benahm sich so phantastisch und bat so ernst und dringend, mit ihr hinaufzukommen und nur einen Augenblick ihre Behausung anzusehen, beharrte in ihrer harmlosen Weise so hartnäckig darauf, besonders mich als gutes Omen hineinzuführen, daß ich ihr gewähren mußte, ohne erst die andern fragen zu können.
Wahrscheinlich waren wir alle mehr oder weniger neugierig; – jedenfalls wurden wir es, als der alte Mann sie mit seinen Überredungskünsten unterstützte und uns zuredete: »Ja, ja! Tun Sie ihr doch den Gefallen! Kostet höchstens eine Minute! Nur herein, nur herein! Kommen Sie durch den Laden, wenn die andere Tür nicht aufzuschließen geht.«
Wir traten daher alle, ermutigt durch Richards fröhliche Laune und auf seinen Schutz vertrauend, ein.
»Mein Hauswirt Krook«, stellte die kleine Alte mit großer Herablassung den Ladeninhaber vor. »Seine Nachbarn nennen ihn den Lordkanzler. Sein Laden heißt: Der Kanzleigerichtshof. Ein sehr exzentrischer Mann. Kurioser Kauz. Ich versichere Ihnen, er ist sehr sonderbar.«
Sie nickte wiederholt und deutete mit dem Finger auf die Stirn, um auszudrücken, daß wir ihm etwas zugute halten müßten.
»Er ist ein klein wenig – Sie wissen schon – ver –«, sagte sie mit gnädiger Herablassung. Der Alte überhörte es scheinbar und lachte.
»Es ist schon wahr«, sagte er, als er uns mit der Laterne vorausleuchtete, »daß sie mich den 'Lordkanzler' und meinen Laden
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