Bleakhouse
wachsender Entrüstung an, »Hunderttausende von Pfunden!«
– Wenn Volumnia einen Fehler hat, so ist es der, ein klein wenig unschuldig zu sein. Es würde recht gut zu einer hellblauen Schärpe und einem Schürzchen passen, harmoniert aber nicht besonders mit der Schminke und dem Perlenhalsband. –
In einem solchen Unschuldsanfall fragt sie jetzt:
»Wofür?«
»Volumnia!!« mahnt Sir Leicester mit äußerster Strenge. »Volumnia!«
»Nein, nein, ich meine nicht, wofür«, verbessert sich Volumnia mit ihrem kleinen Lieblingsschrei. »Wie gedankenlos von mir. Ich meine, wie schade!«
»Es freut mich, daß Sie meinen, wie schade«, entgegnet Sir Leicester.
Volumnia beeilt sich, die Meinung auszusprechen, das abscheuliche Volk solle wegen Landesverrats vor Gericht gestellt und direkt gezwungen werden, die Partei zu unterstützen.
»Es freut mich, Volumnia«, wiederholt Sir Leicester, ohne ihre Beschwichtigungsäußerungen zu beachten, »es freut mich, daß Sie meinen, wie schade. Es ist eine Schande für die Wähler. Aber da Sie, wenn auch unabsichtlich, mich fragten, wofür, so möchte ich Ihnen darauf antworten: Zu notwendigen Ausgaben! Ich traue Ihrem richtigen Gefühl zu, Volumnia, daß Sie hier wie anderswo dieses Thema nicht weiter verfolgen werden.«
Sir Leicester hält es für seine Pflicht, Volumnia gegenüber eine zermalmende Miene aufzusetzen, geht doch sowieso schon das Gerücht, solche notwendigen Ausgaben in etwa zweihundert Wahldistrikten könnten gar leicht mit dem Wort Bestechung in Einklang gebracht werden. Ein paar freche Witzbolde haben bereits vor einiger Zeit den Rat gegeben, aus dem Kirchengebet die das Parlament betreffende Stelle wegzulassen und statt dessen eine Bitte um Genesung für sechshundertachtundfünfzig notleidende Herren einzuschalten.
»Ich vermute«, bemerkt Volumnia, nachdem sie eine Weile gebraucht hat, um sich von der letzten Zurechtweisung wieder zu erholen, »ich vermute, daß Mr. Tulkinghorn sich zu Tode gearbeitet hat.«
»Ich wüßte nicht«, sagt Sir Leicester mit erstaunten Augen, »warum. Mr. Tulkinghorn hat mit den Wahlen nichts zu schaffen. Er ist nicht Kandidat.«
Volumnia hatte geglaubt, er habe vielleicht irgend etwas dabei zu tun und sei von irgend jemandem beschäftigt. Sir Leicester scheint wissen zu wollen, von wem und wozu. Abermals beschämt, meint Volumnia: »Nun, von irgend jemandem, um Rat zu erteilen und Arrangements zu treffen.« Sir Leicester wüßte nicht, welcher Klient von Mr. Tulkinghorn darin irgendeines Beistandes bedürft hätte.
Lady Dedlock, die an einem offnen Fenster sitzt, den Arm auf das Polster gelegt und auf die den Park einhüllenden Abendschatten hinaussehend, scheint bei Nennung des Namens aufmerksam zu werden.
Ein entfernter Vetter mit einem Schnurrbart und von äußerst hinfälligem Aussehen lispelt von seinem Ruhebett aus, jemand habe gestern gesagt, Mr. Tulkinghorn sei nach Eisenhütten jereist, um wejen irjendwas 'n Rechtsjutachten, äh, erteilen, äh, und daß es recht hübsch wäre, wenn heute, wo Wahl vorüber, Tulkinghorn mit Nachricht käme, äh, Gegner von Coodle unterlegen.
Einen Augenblick später teilt der den Kaffee servierende Merkur Sir Leicester mit, daß Mr. Tulkinghorn angekommen sei und soeben diniere. Mylady wendet einen Augenblick das Gesicht ins Zimmer und sieht dann wieder hinaus wie vorher.
Volumnia ist entzückt, zu hören, daß ihr Herzblatt angekommen ist. »Er ist so originell, ein so närrischer Kauz, der alles mögliche weiß und nichts verrät!« Volumnia ist überzeugt, daß er Freimaurer ist, wahrscheinlich Meister vom Stuhl, kleine Schürzchen trägt und sich mit Kerzen und Kellen zu einem wahren Götzenbild herausstaffiert.
Diese geistreichen Bemerkungen äußert die schöne Dedlock in jugendlicher Naivität und häkelt dabei an einer Börse.
»Seit meiner Ankunft ist er nicht ein einziges Mal hier gewesen«, setzt sie hinzu. »Ich dachte schon, seine Unbeständigkeit würde mir das Herz brechen. Ich machte mich schon fast damit vertraut, er wäre tot.«
»Mr. Tulkinghorn«, sagt Sir Leicester, »ist hier immer willkommen – und immer diskret, wo er sich auch befindet. Ein wirklich wertvoller Mensch und verdientermaßen geachtet.«
Der hinfällig aussehende Vetter vermutet, daß er ein scheußlich bejüterter Jeselle sei.
»Ich bezweifle nicht, daß ihn materielle Interessen an die Sache des Landes fesseln. Er wird selbstverständlich ausgezeichnet bezahlt und verkehrt mit
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