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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Zoll?«
    »Drei«, verbessert der Merkur.
    »Wirklich so groß? Aber freilich, ja, Sie sind breit im Verhältnis, und man sieht es Ihnen nicht an. Sie sind keiner von den Spindelbeinen. Haben Sie nie Modell gestanden?« Mr. Bucket sieht ihn mit auf die Seite geneigtem Kopf und dem Blick eines Künstlers an.
    Der Merkur hat nie Modell gestanden.
    »Dann sollten Sie's tun«, sagt Mr. Bucket. »Ein Freund von mir, von dem Sie noch eines schönen Tages hören werden, daß er Bildhauer der königlichen Akademie geworden ist, würde etwas springen lassen, wenn er Sie als Modell für eine Marmorstatue bekommen könnte. Mylady ist nicht zu Hause, nicht wahr?«
    »Zum Diner ausgefahren.«
    »Fährt wohl ziemlich jeden Tag aus, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Nicht zu verwundern«, meint Mr. Bucket. »Eine so vornehme Frau wie sie, so schön, so anmutig und elegant, ist wie eine frische Zitrone auf einem Speisetisch und eine Zierde überall, wo sie hinkommt. War Ihr Vater auch in einer Stellung wie Sie?«
    Die Antwort fällt verneinend aus.
    »Aber meiner«, sagt Mr. Bucket. »Mein Vater war erst Page, dann Bedienter, dann Kellermeister, dann Steward, dann Gastwirt. War zu Lebzeiten allgemein geachtet und starb tief betrauert. Sagte mit seinem letzten Atemzug, er betrachte seine Bedientenzeit als den ehrenvollsten Teil seiner Laufbahn, und so war es auch. Ich habe einen Bruder, der Bedienter ist, und einen Schwager. Ist Mylady gut mit den Leuten?«
    Der Merkur entgegnet, soweit man das von ihr erwarten könne.
    »Aha«, sagt Mr. Bucket, »ein bißchen verwöhnt? Ein bißchen launenhaft? Mein Gott, wie kann es anders sein, wenn man so schön ist. Und je launenhafter sie ist, desto lieber hat man sie.« Der Merkur, die Hände in den Taschen seiner schönen pfirsichblütnen Kniehose, streckt seine symmetrischen seidenüberzognen Beine mit der Miene eines Stutzers von sich und kann es nicht leugnen. Draußen kommt ein Wagen angerollt, und es wird heftig geklingelt.
    »Wenn man den Wolf nennt, kommt er gerennt«, sagt Mr. Bucket. »Da ist sie.«
    Die Türen werden weit geöffnet, und Mylady schreitet durch die Vorhalle. Sie ist immer noch sehr bleich, in Halbtrauer gekleidet, und trägt zwei kostbare Armbänder. Entweder ihre Schönheit oder die Schönheit ihrer Arme erregen Mr. Buckets ganz besondre Aufmerksamkeit. Er sieht mit spähendem Blick hin und klappert mit etwas in der Tasche – vielleicht mit Halfpences.
    Sie bemerkt ihn im Hintergrund und wendet sich mit einem fragenden Blick an den andern Merkur, der sie nach Hause brachte.
    »Mr. Bucket, Mylady.«
    Mr. Bucket macht einen Kratzfuß und tritt hervor, indem er sich mit seinem Hausdämon über den Mund fährt.
    »Warten Sie auf Sir Leicester?«
    »Nein, Mylady. Ich war bereits bei ihm.«
    »Haben Sie mir etwas zu sagen?«
    »Jetzt gerade nicht, Mylady.«
    »Haben Sie neue Entdeckungen gemacht?«
    »Ein paar, Mylady.«
    – Sie stellt ihre Fragen nur so im Vorübergehen. Sie bleibt kaum stehen und schwebt allein die Treppe hinauf. –
    Mr. Bucket tritt einen Schritt vor und beobachtet sie, wie sie die Stufen hinaufgeht, die der alte Advokat herunterstieg in sein Grab, an mordgierigen Gruppen von Bildhauerwerk vorüber, die sich mit dem Schatten ihrer Waffen an der Wand wiederholen, an der gedruckten Bekanntmachung, auf die sie im Vorbeigehen einen Blick wirft, vorüber. Dann verschwindet sie.
    »Wahrhaftig, eine schöne Frau«, sagt Mr. Bucket und kommt zu dem Merkur zurück. »Sieht aber nicht ganz gesund aus.«
    Sei auch nicht ganz gesund, teilt ihm der Merkur mit, leide sehr an Kopfschmerzen.
    Wahrhaftig? Schade! Spazierengehen würde Mr. Bucket als Heilmittel anempfehlen.
    »O, sie geht spazieren«, entgegnet der Merkur. »Geht manchmal zwei Stunden spazieren, wenn ihr Zustand sich verschlimmert. Sogar in der Nacht.«
    »Wissen Sie auch ganz sicher, daß Sie genau sechs Fuß drei Zoll hoch sind?« fragt Mr. Bucket. »Sie müssen schon entschuldigen, daß ich Sie einen Augenblick unterbreche.«
    »Darüber besteht gar kein Zweifel.«
    »Ich hätte das wirklich nicht geglaubt bei Ihren guten Proportionen. Die Garden gelten doch auch als schöne Leute, aber sie sind mir zu schlenkrig und aufgeschossen. – Geht also bei Nacht spazieren? Wenn Mondschein ist?«
    O ja, wenn Mondschein ist! Natürlich. Ja natürlich.
    – Übereinstimmung auf beiden Seiten. –
    »Sie selbst gehen wohl nicht viel spazieren?« fragt Mr. Bucket. »Haben wahrscheinlich nicht viel Zeit dazu

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