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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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geschäftliche.« Der Merkur will die Personen beschreiben...
    Genug. Er kann gehen. So! Also alles verloren. Ihr Name geht von Mund zu Mund, ihr Gatte kennt ihre Schuld; ihre Schande wird publik werden – ist es vielleicht jetzt schon, während sie noch daran denkt; und außer diesem von ihr so lang vorausgesehenen und von ihrem Gatten so wenig geahnten Schlag klagt sie eine unsichtbare Hand der Ermordung Tulkinghorns – ihres Todfeindes – an.
    Ja, er war ihr Feind, und wie oft, wie oft, wie oft hat sie sich gewünscht, er sei tot!
    Ihr Feind ist er selbst jetzt noch in seinem Grabe.
    Die schreckliche Anklage trifft sie wie eine neue Marter von seiner leblosen Hand. Und wie sie bedenkt, daß sie an jenem Abend in aller Stille an seiner Türe war, bedenkt, wie man den Umstand, daß sie kurz vorher ihre Lieblingszofe fortgeschickt hat, so auslegen könnte, als wollte sie sich jeder möglichen Beobachtung entziehen, schaudert sie. Sie glaubt, die Hand des Henkers bereits an ihrem Halse zu fühlen.
    Dann hat sie sich auf den Boden geworfen und liegt da, das Haarwild zerrauft und das Gesicht in die Kissen des Sofas vergraben. Sie steht auf, rast in der Stube auf und ab und wiegt sich stöhnend hin und her und ächzt. Ein namenloses Entsetzen hat sich ihrer bemächtigt. Wenn sie wirklich die Mörderin wäre, könnte es kaum schrecklicher sein.
    Was ist jetzt sein Tod anderes als die Beseitigung des Schlußsteins eines vom Einsturz bedrohten Gewölbes?! In tausend Trümmer fällt der Bogen, und jedes einzelne Stück zermalmt und zerschmettert sie.
    Es bemächtigt sich ihrer das schreckliche Gefühl, daß es vor diesem Verfolger, lebendig oder ermordet, keine Rettung mehr gibt als den Tod. Unerbittlich und unnahbar steht der Tote vor ihr in der Gestalt, die sich tief in ihr Gedächtnis eingegraben hat, unnahbarer noch im Sarg als im Leben.
    Fort, nur fort! Scham, Angst, Reue und Jammer in schrecklichem Zusammenwirken werfen sie zu Boden, und selbst ihre starke Seele wird im Wirbel fortgerissen wie ein Blatt im Sturmwind. Hastig schreibt sie ein paar Zeilen an ihren Gatten, versiegelt sie und legt sie auf den Tisch.
    »Wenn man mich sucht oder des Mordes anklagt, so seien Sie überzeugt, daß ich daran keine Schuld trage. In einer andern Sache, die man mir zur Last legt oder legen wird, verteidige ich mich nicht. An jenem verhängnisvollen Abend teilte er mir mit, daß er Ihnen meine Schuld enthüllen werde. Als er mich verlassen hatte, ging ich aus, unter dem Vorwand, im Garten spazieren gehen zu wollen, in Wirklichkeit, um ihn aufzusuchen und ihn anzuflehen, er möge der schrecklichen Ungewißheit, mit der er mich – Sie wissen nicht, wie lange schon – gefoltert hat, ein Ende machen und so barmherzig sein, am nächsten Morgen den Schlag zu führen. Ich fand seine Wohnung dunkel und still. Ich klingelte zwei Mal an seiner Tür, aber es antwortete niemand, und ich ging wieder nach Hause.
    Ich habe kein Heim mehr. Ich werde Ihnen nicht mehr lästig fallen. Mögen Sie in Ihrem gerechten Zorn imstande sein, die Unwürdige zu vergessen, an die Sie Hochherzigkeit und Liebe verschwendet haben und die Sie mit einem Schamgefühl meidet, noch tiefer als das, mit dem sie vor sich selbst fliehen möchte, und Ihnen jetzt dieses letzte Lebewohl schreibt.«
    Sie kleidet sich rasch an, verschleiert sich, läßt alle ihre Juwelen und ihr Geld zurück, horcht und geht in dem Augenblick, wo die Vorhalle gerade leer ist, die Treppe hinunter und eilt hinaus in den pfeifenden kalten Wind.

56. Kapitel
Verfolgung
    Leidenschaftslos, wie es sich für vornehm erzogene Leute schickt, starrt das Stadtpalais der Dedlocks die andern Häuser der traurigstolzen Straße an, und kein äußeres Zeichen verrät, daß in seinem Innern etwas nicht in Ordnung ist. Kutschen rasseln, es wird an die Türen gehämmert, die Welt stattet Besuche ab, ältliche Circen mit dürren Hälsen und Pfirsichwangen, die etwas Gespensterhaftes haben in ihrer blühenden Röte, blenden die Augen der Menschheit. Bei Tageslicht erblickt, haben diese faszinierenden Geschöpfe eine fatale Ähnlichkeit mit Zwittergeschöpfen, halb Tod halb Dame. Aus den frostigen Marställen kommen elastisch gefederte Wagen, gelenkt von kurzbeinigen Kutschern mit flachsenen Perücken, die in daunenweichen Bockpolstern eingesunken sitzen, und hintenauf stehen Prunkmerkure, prächtig lange Stöcke in den Händen und dreieckige Hüte quer auf den Köpfen; ein Schauspiel für die

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