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Bleib doch, liebes Hausgespenst!

Bleib doch, liebes Hausgespenst!

Titel: Bleib doch, liebes Hausgespenst! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Louise Fischer
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Was ist los mit Monika?

    Sacht trommelte ein warmer Frühlingsregen gegen die Fensterscheiben des Klassenzimmers. Die Schüler und Schülerinnen lauschten mäuschenstill, was Frau Hübner, die Biologielehrerin, von den Wundern der Tierwelt zu berichten wußte. Die meisten waren enttäuscht, als sie aufforderte: „Ich habe euch vom Urvogel erzählt“, sagte sie, „wie sah er aus?“
    Die Finger flogen in die Höhe.
    „Ingrid!“
    Ingrid, ein großes Mädchen mit braunen Augen und einem braunen Wuschelkopf, als einzige Tochter eines Gymnasiallehrers immer eine Spur zu fein gekleidet — heute trug sie an einem ganz gewöhnlichen vorfrühlinghaften Schultag einen hellgrauen Faltenrock mit einem weichen, langärmeligen rosa Pullover —, fuhr auf. „Halb Vogel, halb Eidechse!“
    „Sehr richtig! Und woher wissen wir das?“
    Diesmal durfte Norbert antworten — Norbert, ein blondgelockter Junge, dessen Eltern erst vor einem halben Jahr aus Norddeutschland nach Bayern zugezogen waren und der es sich noch nicht ganz abgewöhnt hatte, ein spitzes „St“ zu sprechen. Noch immer wurde er manchmal deswegen ausgelacht, und obwohl er es tapfer ertrug, war er bemüht, diese Eigenart abzulegen. „Man hat“...Er machte eine kleine Pause und sagte dann betont: „Ver-schteinerungen im Fränkischen Jura gefunden.“
    Die Klasse lachte auch über dieses bemühte „Scht“ — nur Monika nicht. Obwohl sie Frau Hübner mit weit geöffneten grünen Augen scheinbar aufmerksam anstarrte, war sie mit ihren Gedanken doch weit, weit fort.
    „Ssch-timmt!“ lobte Frau Hübner, und unwillkürlich betonte auch sie das „St“ wie eine Lokomotive. Den Lacher, den sie damit erntete, nahm sie nicht übel, sondern schmunzelte dazu. „Andere Ablagerungen der Erdgeschichte verrieten uns noch mehr. Die Zahl der Versteinerungen, die man erforscht hat, ist so groß, daß man sich schon ein ganz gutes Bild des Erd-Mittelalters machen kann. Wer waren damals die Herren der Erde?“ Viele Arme flogen hoch. Frau Hübners Blick überflog die Klasse. Sie stellte fest, daß Monika sich nicht gemeldet hatte.
    „Monika“, fragte sie freundlich, „das mußt du doch auch wissen. Ich habe es ja gerade erst erzählt!“
    Monika war erwacht, als sie ihren Namen hörte, und ihr hellhäutiges Gesicht war rot geworden. „Wa-a-as?“ stotterte sie.
    „Ich habe vom Erd-Mittelalter gesprochen, Monika!“ versuchte Frau Hübner ihr zu helfen. „Wie hießen die Tiere, die damals am verbreitetsten waren? Inzwischen sind viele von ihnen schon ganz ausgestorben!“
    Unvermittelt brach Monika in Tränen aus.
    Die Klasse hielt den Atem an.
    „Aber, Monika, warum weinst du?“ fragte Frau Hübner verblüfft. „Wegen der ausgestorbenen Reptilien? Oder weil du nicht aufgepaßt hast?“
    „Ich... nein, gar nicht“...stammelte Monika schluchzend, „...ich weine, weil“...Unfähig, eine vernünftige Erklärung abzugeben, stürzte sie aus dem Zimmer.
    Frau Hübner sah die Klasse an. „Was ist los mit Monika? Ist sie krank? Oder hat sie zu Hause Kummer? Ingrid?“
    Ingrid war aufgestanden. Aber statt einer Erklärung hatte sie eine Gegenfrage: „Darf ich ihr nach... sie beruhigen?“
    „Ja, lauf nur.“
    Monika und Ingrid waren Freundinnen, und das wußte Frau Hübner.
    Norbert meldete sich, nahm all seinen Mut zusammen und bat: „Ich auch?“
    Die anderen — besonders die Schüler — lachten schallend, denn es schien ihnen überaus komisch, daß ein Junge ein Mädchen zu trösten versuchen wollte. Aber Norbert hatte es ganz ernst gemeint, denn zwischen ihm und Monika bestand eine Freundschaft, in die auch Ingrid einbezogen war.
    Auch Frau Hübner war es nicht entgangen, daß die drei ständig zusammensteckten, dennoch gab sie ihre Erlaubnis nicht. „Du nicht, Norbert“, sagte sie statt dessen, „du wirst früh genug nach Schulschluß hinter das große Geheimnis kommen!“
    „Was für ein Geheimnis?“ fragte Norbert und tat so erstaunt, wie er nur konnte.
    „Versuch nicht, mir etwas vorzumachen! Glaubst du nicht, ich hätte längst bemerkt, wie du und die beiden Mädchen immer miteinander tuscheln? Ihr habt ein Geheimnis zusammen... aber keine Angst, ich will es gar nicht wissen. Aber ich möchte wetten, daß Monikas unmotivierte Tränen mit diesem Geheimnis Zusammenhängen!“
    „Ich weiß gar nicht, was Sie meinen“, murmelte Norbert, aber er wagte nicht, der Lehrerin dabei in die Augen zu sehen, denn er wußte nur zu gut, daß sie recht hatte.

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