Nacht über Eden
V. C. Andrews
Nacht über Eden
Roman
Lizenzausgabe mit Genehmigung des
Wilhelm Goldmann Verlags, München,
für die Buchgemeinschaft
Donauland Kremayr & Scherlau, Wien,
die Deutsche Buch-Gemeinschaft, Wien,
den »Bücherbund«, Wien,
die Bertelsmann Club GmbH, Gütersloh,
die Buch- und Schallplattenfreunde GmbH, Zug/Schweiz, und die EBG Verlags-GmbH, Kornwestheim.
Diese Lizenz gilt auch für die Deutsche Buch-Gemeinschaft C. A. Koch’s Verlag Nachf, Darmstadt.
© 1989 by Virginia C. Andrews Trust
© der deutschsprachigen Rechte by
Wilhelm Goldmann Verlag GmbH, München 1990
Aus dem Amerikanischen von KOLLEKTIV DRUCK-REIF
Schutzumschlag: R. Kasparek; Foto: Mall
Druck und Bindung: May + Co. Darmstadt
Bestellnummer: 04618 5
Nachdem Heaven Leigh Casteel mit ihrem Mann bei einem Autounfall tödlich verunglückt ist, geraten ihre Tochter Annie und deren Halbbruder unter die Fittiche ihres reichen Urgroßvaters. Der vornehme alte Herr entpuppt sich jedoch als Schurke – und eine Tragödie nimmt ihren Lauf…
»Nacht über Eden« ist der vierte Band der erfolgreichen Casteel-Saga von V. C. Andrews, der Meisterin des subtilen Horrors.
PROLOG
Solange ich denken konnte, gab es nur einen Menschen, mit dem ich meine tiefsten Geheimnisse teilen konnte, und das war Luke Casteel Jr. Mir war es, als wäre ich nur wirklich lebendig, wenn er mich ansah, und tief in meinem Innersten wußte ich, daß er ebenso empfand, auch wenn er nie gewagt hätte, es mir zu sagen. Ich sehnte mich danach, meinen Blick für immer tief in seine dunklen, saphirblauen Augen zu senken und ihm zu sagen, was ich wirklich fühlte. Aber solche Worte waren verboten, denn er war mein Halbbruder.
Dennoch gab es einen Weg, wie ich ihn längere Zeit ansehen konnte, ohne daß wir befürchten mußten, einem Außenstehenden unser Geheimnis zu enthüllen: Ich malte ihn.
Er stellte sich mir immer gerne als Modell zur Verfügung.
Wenn die Staffelei zwischen uns stand, diente mir die Kunst als eine Art Fenster, und ich konnte sein wunderschön geformtes, braungebranntes Gesicht mit den hohen Wangenknochen und der widerspenstigen, tiefschwarzen Haarsträhne, die ihm immer wieder in die Stirn fiel, nach Belieben betrachten.
Luke hatte das Haar meiner Tante Fanny geerbt, doch die dunkelblauen Augen und die gerade Nase hatte er von meinem Vater. Die Form seines Mundes und seines markanten, glattrasierten Kinns verriet Charakter. Auch mein Körperbau glich dem meines Vaters; die erstaunliche Ähnlichkeit zwischen den beiden überraschte mich immer wieder, wenn mir seine hohe, schlanke Gestalt entgegentrat. Diese Ähnlichkeit betrübte mich, denn sie erinnerte mich ständig daran, daß Luke nicht nur mein Halbbruder war, sondern daß er einem leidenschaftlichen Verhältnis zwischen meinem Vater und meiner Tante Fanny, der Schwester meiner Mutter, entstammte. Natürlich vermied man es in unserer Familie, über diesen Umstand zu sprechen. Er wurde einfach übergangen, und wir versuchten, einen Mantel des Schweigens darüber zu breiten, obwohl wir selbstverständlich wußten, daß die Leute in Winnerrow über uns redeten und klatschten. Denn wenn unsere Familie auch zu den angesehensten von Winnerrow gehörte, so war sie doch recht ungewöhnlich. Luke Jr. lebte bei seiner Mutter, die zweimal verheiratet gewesen war. Ihr erster Mann war wesentlich älter als sie gewesen und gestorben; der zweite war um einiges jünger als sie und hatte sich von ihr scheiden lassen.
Jedermann in Winnerrow erinnerte sich an die Verhandlung, in der entschieden werden sollte, ob die Vormundschaft über ihren Halbbruder Drake meiner Mutter oder Tante Fanny zugesprochen wurde. Ihr Vater Luke und seine zweite Frau Stacy waren bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
Drake war damals erst fünf Jahre alt gewesen. Man hatte sich schließlich gütlich geeinigt: Meiner Mutter wurde die Vormundschaft zugesprochen, und Tante Fanny erhielt eine beträchtliche Geldsumme… Drake war es zuwider, wenn man in seiner Gegenwart von dieser Sache sprach; und in der Schule hatte er sich mehr als einmal geprügelt, weil ihn die anderen Jungen damit neckten, daß er »gekauft« worden sei.
Nach Mutters Ansicht hatte Drake ohnehin das Wesen ihres Vaters geerbt. Er war hübsch, muskulös und sehr sportlich, heiter und zugleich entschlossen. Jetzt studierte er am Harvard Business College Betriebswirtschaft. Auch wenn er eigentlich mein Onkel war, sah ich in ihm eher einen Bruder. Mammi und
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