Bleib ungezaehmt mein Herz
Willen nicht weiß, wann und wie. Aber der ehrenvolle Marquis von Carrington ist uns auf die Schliche gekommen.«
Sebastian stieß einen Pfiff aus. »Pest und Hölle. Und was nun?«
»Ich weiß es nicht genau.« Judith starrte immer noch nachdenklich vor sich hin, während sie den anderen Fuß zu massieren begann. »Er sagte zwar, er würde uns nicht bloßstellen, aber er hat mir den unverblümten Befehl erteilt, Charlie von seiner Verliebtheit zu heilen.«
»Nun, das läßt sich leicht machen. Du hattest bisher noch nie Schwierigkeiten, dich aus den Fängen eines übereifrigen Verehrers zu befreien.«
»Nein, aber warum sollte ich? Ich habe nicht die Absicht, Charlie zu verletzen. Tatsächlich wird eine kultivierte kleine Tändelei Wunder für ihn vollbringen, und wenn er ein paar Tausender beim Kartenspiel verliert, ist es nicht etwa so, als könnte er es sich nicht leisten. Abgesehen von den wenigen Minuten heute abend ist dein angeborenes
Talent die einzige Ungerechtigkeit, die er auszuhalten hat. Er spielt, weil es ihm Spaß macht, und ich sehe nicht ein, warum Carrington das Recht haben sollte, sich da einzumischen.«
Sebastian betrachtete seine Schwester argwöhnisch. Es war eindeutig ein Fall von verletzten Prinzipien. »Er ist sein Vormund«, erwiderte er. »Und wir sind ein verrufenes Paar, Ju. Du solltest es dir nicht so zu Herzen nehmen, wenn jemand das bemerkt und entsprechend reagiert.«
»Unsinn!« sagte sie scharf. »Wir sind nicht verrufener als jeder andere. Wir sind nur keine Heuchler, das ist der Unterschied. Schließlich müssen wir dafür sorgen, daß wir ein Dach über dem Kopf haben und Brot auf dem Tisch, und wir tun es auf die einzige Weise, die wir kennen.«
Sebastian trat an die Anrichte und goß Cognac in zwei Gläser. »Du könntest jederzeit als Gouvernante deinen Lebensunterhalt verdienen.« Er reichte ihr eines der Gläser und grinste über ihren entsetzten Ausdruck. »Ich sehe dich förmlich vor mir, wie du in einem Klassenzimmer stehst und kleinen Mädchen in Rüschenkleidern die Feinheiten der Aquarellmalerei und die Grundzüge der italienischen Sprache vermittelst.«
Judith fing an zu lachen. »Ganz bestimmt nicht. Ich würde ihnen beibringen, Romme und Backgammon um hohe Einsätze zu spielen, kokett mit den Wimpern zu klimpern und Gentlemen, die sich zu einem Spiel überreden lassen könnten, amüsante kleine Geschichten zu erzählen; sie würden lernen, wann es Zeit wird, weiterzuziehen, die billigsten Unterkünfte und Diener zu finden, des Nachts heimlich zu verschwinden, um dem Gerichtsvollzieher zu entgehen, und wie man aus einem Nichts eine Garderobe kreiert. Kurz und gut, ich würde ihnen alle Elemente für eine erfolgreiche Maskerade vermitteln. So, wie man es mir beigebracht hat.«
Beim Sprechen verblaßte das Lachen in ihrer Stimme, und Sebastian nahm ihre Hand. »Wir werden uns rächen, Ju.«
»Für Vater«, sagte sie, hob den Kopf und nippte an ihrem Cognac. »Ja, wir werden uns für das Unrecht, das ihm zugefügt wurde, rächen.«
Sebastian schloß sich ihrem Toast schweigend an, und einen Moment lang starrten sie beide in den leeren Kamin und hingen der Erinnerung nach... erinnerten sich und bekräftigten ihren Schwur aufs neue. Dann stellte Judith ihr Glas auf einem Tischchen ab und stand auf. »Ich gehe jetzt ins Bett.« Sie küßte Sebastian auf die Wange, und die Geste erinnerte sie an etwas, das plötzliche Entschlossenheit in ihren Augen aufblitzen ließ. »Ich bin in der Stimmung, um mit Feuer zu spielen, Sebastian.«
»Carrington?«
Sie nickte. »Der Gentleman muß unschädlich gemacht werden. Er sagte, er würde uns nicht anzeigen, aber mal angenommen, er beschließt, die Leute in London zu warnen, sich nicht auf ein Spiel mit dir einzulassen? Wenn es mir gelingt, ihn zu fesseln... ihn in einen Flirt zu verwickeln... wird er sich wahrscheinlich weniger mit dem befassen, was du am Spieltisch tust.«
Sebastian betrachtete seine Schwester zweifelnd. »Bist du ihm gewachsen?«
War sie eine ebenbürtige Gegnerin für ihn? Einen Augenblick lang fühlte Judith wieder den Druck seiner Finger auf ihrer Haut, sah wieder die Gewitztheit in seinen schwarzen Augen, den unversöhnlichen Zug um seine Lippen, das energisch vorspringende Kinn. Selbstverständlich konnte sie es mit jedem Großstadtbeau aufnehmen! Sie wußte Dinge, hatte Dinge erlebt und getan, die ihrem Verstand eine Schärfe verliehen hatten, mit der er nicht rechnete.
»Natürlich«,
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