Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
geraten bin. Seit gestern habe ich aber wieder eine Batterie, damit ich nicht wie ein geschundener Raubritter bei Euch anlange. Dass es bei uns schön aussah, wenn Heidi Besuch hatte, kann ich mir gut vorstellen, aber das lässt sich eben nicht ändern. Du hast natürlich auch Deine helle Freude daran gehabt, aber Deinen Stoßseufzer wegen eines grösseren Jungen kann ich nicht ganz begreifen, aber ich habe ja auch nicht die Ordnung wieder herzustellen. Na, kleine Frau, auch dieser Zustand geht vorüber und hast Du später hoffentlich eine Hilfe an Heidi. Sehr betrüblich, dass Ihr immer so oft in den Keller müsst, für die Kinder ist es wirklich schlimm, aber dabei muss man wirklich dankbar sein, dass es immer so gut abläuft, In Berlin muss es jetzt grauenhaft aussehen, soll ein zweites Hamburg sein, es wird Zeit, dass es dem Schluss zugeht und glaube ich, dass wir im März-April genau wissen, woran wir sind.
Meinen Glückwunsch zu den Dauerwellen, ob ich da in drei Wochen noch was davon zu sehen bekomme, lieber nicht, sonst darf ich Dir nicht einmal in die Haare fahren. Du, wann hast Du denn die ersten 100.– Mark geschickt? Zuletzt bekam ich M 58.–, das war der Rest für Obst etc. und nun mit Deinem letzten Brief 100.–, das ist alles, Du solltest mir doch mal schreiben, was ich jetzt insgesamt haben müsste, da muss es sich ja auch herausstellen, ob alles Geld angekommen ist. 20 Kilogramm Boskop habe ich auch gekauft, aber da momentan das Express gesperrt ist, muss ich mal sehen, wie ich es wegbekomme. Leider sind die Äpfel auch wieder teurer geworden, das Kilo kostet jetzt M 1.70, aber es sind auch wahrscheinlich die letzten. Möhren habe ich 50 Pfund bestellt, aber da will es noch nicht klappen. Am Montag kaufe ich die drei Fusssäcke, am Sonnabend bin ich in ganz Arnheim wegen eines Hutes für Vater und etwas Pelz für Heidi rumgelaufen, Ergebnis: Hüte gibt es auch nicht auf Textilpunkte, höchstens einen Harten, aber den trägt ja Vater nicht, ich will es nochmals in Zwolle und Amerfort versuchen. Für ein Stück Fell zu einen Kragen auf einen Kindermantel verlangt man hier 20.– bis 25.– Mark, da habe ich die Finger davon gelassen, habe ich das richtig gemacht? Es tut mir leid, dass ich es nicht besorgen konnte, aber Du kannst mir glauben, ich habe so gut wie alle einschlägigen Geschäfte abgeklappert. Mit den Lebensmitteln habt Ihr da ja auch wieder Eure Sorgen, na, wenn ich komme, bringe ich drei Brote und wenn möglich Butter, Käse und Kaffee mit, nur das nötige grosse Kleingeld müsst Ihr mir beizeiten schicken. Ist denn Gretel nun wieder zu Hause oder im Krankenhaus? Schreib mir doch, wohin ich schreiben soll, denn nächste Woche will ich ihren Brief beantworten. Nun will ich erst mal ne Pause machen, denn von der Helferinnenbaracke wird schon das zweite Mal angerufen, dass das Licht aus ist, nun da will ich mal runter und Sicherungen auswechseln. Da haben sie wahrscheinlich wieder zehn Plätten in Betrieb und 15 Wärmeöfen. Wenn sie allemal zehn Zigaretten dafür geben müssten, würden sie vorsichtiger sein. Also bis nachher.
Nun ist es doch glücklich 10 Uhr geworden, aber nun wird mich wohl keiner mehr stören. Unterdessen habe ich aber allerhand erledigt, dazu gut Abendbrot gegessen, es gab noch grüne Erbsen vom Mittag und da fleckt es bei vollem Magen gut, nur was Rauchbares fehlt, aber das muss man sich eben verkneifen.
Am Freitag früh sind wir nun aus dem Lehrgang entlassen worden und war ich heilfroh darüber, erstens wegen der Büffelei und der Arbeit, die hier liegen geblieben ist und zweitens wegen dem Essen, das unter aller Kanone im Geschmack und Quantität war. Die Kompanie, wo wir waren, hat sich bestimmt auf unsere Kosten ihren Weihnachtsbraten zusammengespart. Ich hatte Dir ja schon geschrieben, dass ich wie üblich wieder mit Durchschnitt bestanden habe und hab schon heute meine Ausweise für die holländische Post bekommen. Ist ja ein ganz nettes Gefühl, aber hoffentlich habe ich in der Praxis nicht zu viel damit zu tun. Jedenfalls waren wir am Freitag um 9 Uhr fertig und sind wir gleich ins Wehrmachtsheim zum Frühstück. Von 10 - 1 Uhr bin ich erfolglos nach Hut und Pelz rumgerannt, so dass ich mir anschliessend im W.H. Kaninchenbraten geleistet habe, aber für die M 3,75, die das Essen kostete, konnte es mehr gewesen sein. Dann bin ich baden gegangen und ½ 3 Uhr war ich im Rembrandt und weisst Du, was ich mir angesehen habe, ‘Münchhausen’ und ich muss
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