Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
in Erfüllung geht. Meine Meinung ist, dass der Krieg noch dieses Jahr sein Ende findet. Und mit den Angriffen wissen wir, dass wir dabei Glück haben; sowas muss man sich richtig einfiltrieren, sonst würde die Unruhe doch zu gross. Für Schleussig war wohl die Gefangennahme des Tommy eine Sensation? Hast Du den Bomber Dir angesehen oder durftet Ihr nicht hin? Uebrigens, als wir gestern von uns nach Velp loszogen, hatte die Flak kurz vorher einen Jabo zum Aussteigen gezwungen und wie wir nach Velp reinkamen, brachte man gerade den Tommy zum Verhör. Ein ganz schmucker Junge, ca. 22 Jahre alt und proper gekleidet. Er ging unter Bewachung an uns vorbei, aber wir waren Luft für ihn. Durch Dessau, Merseburg und Böhlen habt Ihr ja so viele Alarme und bekommt da auch immer etwas ab. Hast Du was Genaueres von dem letzten Angriff auf Dresden gehört? Ob wohl Tante Berta, Onkel Karl und Tante Selma gut davongekommen sind? Ist denn unser Radio wieder in Ordnung? Ein Kurzschluss wird es wohl nicht sein, ich nehme aber an, dass ein Wackelkontakt in Frage kommt; oder gibt es überhaupt keinen Ton mehr von sich? Da Du übrigens mit Deinem Feiertagsbrief mir schriebst, was Du für Lieder im Radio am Heilig Abend gehört hast, muss der Apparat wohl wieder in Ordnung sein. Den Film ‘Kora Tery’ würde ich mir auch nochmals ansehen; war da nicht Marika Röck in der Doppelrolle? Sag mal, Ihr scheint ja vor dem Fest eine Menge Weihnachtsmänner gesehen zu haben. Wohl alles Entdeckungen unseres Kerlchen? Kleine Frau, um nochmals auf das Weihnachtsgebäck zurückzukommen, es hat wirklich wunderbar geschmeckt und kann ich Heidis Kummer verstehen, als ein Stück nach dem anderen in das Päckchen für ihren gefrässigen Vater verschwand. Hoffentlich sind nun meine Pakete alle angekommen und da sind ja zwei Lebkuchen dabei als ein sehr mangelhafter Ersatz für das Gebäck. Diese Weihnachten hat es wohl keine Sonderzuteilung gegeben, denn man hat weder was davon im Radio noch von Euch was gehört. Wie mir Helenchen geschrieben hat, warst Du zum Fest recht gedrückt und das wollte ich doch nicht haben, trotzdem es mir ja genau so ging. Obwohl ich Alkohol zum inneren Betäuben da hatte, habe ich es doch unterlassen und bin mit meinen Gedanken die Weihnachten durchgegangen, die wir zusammen verlebt haben. Aber in der letzten Zeit hätte ich mir schon öfters mal einen angetrunken, um zeitweilig über die Unruhe hinweg zu kommen, aber da war nichts mehr da. Gestern früh habe ich mir meine Marketenderware geholt, ein Drittel Liter Rum und eine halbe Flasche Wein; den Rum nehme ich zum Tee und den Wein werde ich mal bei Gelegenheit vertilgen. So gern wie ich Dich und überhaupt Euch alle zum Fest überrascht hätte, aber daran war überhaupt nicht zu denken. Mit dem Inspektor, er ist heute nicht da, will ich morgen wegen einer Dienstreise in die Nähe Leipzigs reden und werde ich mein Möglichstes tun, damit es im Februar klappt. Rechne aber ja nicht damit, denn wenn nichts daraus wird, ist die Enttäuschung dann um so grösser. Es freut mich, dass Du an Maja geschrieben hast, da wissen sie wenigstens, dass wir noch leben und an sie denken. Kleine Frau, es ist doch sehr schön zu wissen, dass Du mich noch lieb hast und könnte ich mir mein Leben ohne Dich auch gar nicht vorstellen. Nun musst Du aber ganz schnell wieder richtig gesund werden, damit ich auch diese Sorge los werde. Weisst Du, dass ich schon an die Post eine Diebstahlsanzeige losgelassen habe wegen der Zigarette? Was gibst Du, damit ich sie zurückziehe? Hätte ich das geahnt, hätte ich dem Paket nur 59 Stäbchen beigelegt, aber die 60. wird Dir beim Rauchen einen besonderen Genuss bereiten, den ich Dir von Herzen gönne. So, damit wäre wohl das wesentliche Deiner Briefe beantwortet und will ich nun paar Zeilen von mir schreiben. Unsere Reisedispositionen sind nun mal wieder gründlich über den Haufen geworfen worden. Der LKW fuhr statt gestern Mittag schon früh 7 Uhr; über Nacht waren bei uns durch Sturm drei Fernleitungen ausgefallen, sodass ich meine vier Mann auf Störungssuche schicken musste; ich selbst hatte von 8-11 Uhr mit dem Spiess seiner Leitung zu tun und war darum erst um ½ 2 Uhr startfertig. Wir waren zu dritt, hatten einen Schlitten, wo vier Rucksäcke vollgepackt, zwei Pakete und drei Aktentaschen drauf lagen und hatten die Wahl, ½ 8 Uhr ab Emmerich mit dem Zug oder nachts ½ 4 von Zevenaar. Bei ersterem mussten wir auf alle Fälle einen LKW erwischen,
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