Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
der Westentasche verschwinden lassen. Auf die Butter bin ich wirklich mehr als scharf, so ausgeräuchert wie jetzt war ich aber auch noch nie. Man wird eben durch den Zuschuß sehr verwöhnt. Kaffee, Kakao und Käse kaufst Du lieber nicht, das ist zu teuer, nimm lieber für alles Geld Butter. Hoffentlich kommt sie bald an, damit ich sie noch rechtzeitig verteilen kann. Mit dem Wagen für Heidi wird es wohl nun nicht mehr klappen. Ich hätte denselben so gern in Bad Elster gehabt. Wenn auch Heidi fast alles läuft, so nimmt man doch lieber für weitere Strecken einen Wagen mit. Tante Anna hatte Dir Stäbchen geschickt, das Päckchen aber zurückbekommen, weil keine Zulassungsmarke drauf war. Ich habe es nun mit hier und schicke es morgen mit diesem Brief mit weg. Die Flaschen sind angekommen und warten nun im Keller auf Deinen nächsten Urlaub. Mutter hat sich wirklich sehr gefreut, als ich mit Heidi angetreten kam. Unser Kerlchen war mustergültig brav auf der Bahn, hatte nur anfangs Angst mit dem ‘Zug’ zu fahren. In Leipzig war sie mit den Kindern restlos glücklich, und hat mich am Freitag früh bald umgebracht, daß sie mit den Kindern in den Hof kann. Hat dort auch ganz wunderbar gespielt. Am Donnerstag Nachmittag waren wir auch mal mit bei Schramms, und hat Heidi Schramms aber nicht gleich wiedererkannt, worüber Tante Anna natürlich ein bißchen traurig war. Am Freitag früh bin ich dann mit Heidi mal einen Sprung bei Frau Berthold gewesen. Ihre Wohnung ist wirklich unbewohnbar. Alle Wände und Türen sind rausgerissen, und hängen große Stücken von der Decke herab. Ihr Rainer ist ein kleiner kräftiger Bursche geworden, und wirkt Heidi gegen ihn direkt mädchenhaft und brav. Am Freitag Nachmittag sind wir dann wieder abgefahren, und war der Zug unheimlich voll. Mutti hat mit Heidi im Schwerbeschädigtenabteil gesessen, und ich in einem anderen gestanden. Am Abend sind wir dann ½ 9 Uhr schlafen gegangen, denn wir waren wirklich mehr als müde. Heute früh ist Papa gekommen, und wollen wir morgen nach dem Essen nach ... zu Lotte laufen. Hier ist es mit Macht warm geworden. Eigentlich zu warm für den April. Ich habe heute mit Heidi das erstemal auf dem Spielplatz gesessen, Heidi hat im Sand gebuddelt und ich habe auf einer Bank Strümpfe gestopft. Du hättest unser Kerlchen mal sehen sollen, wie ausgelassen sie war. Sie hat sich der Länge nach im Sand rumgekullert und sah natürlich auch dementsprechend aus. Aber das macht ja nichts, das Badewasser abends nimmt alles wieder weg. Sie ist jetzt in dem Alter, wo es mit ihr an der See wunderbar sein würde. Was meinst Du, ob es wohl im kommenden Jahr wieder der Fall sein wird, daß wir gemeinsam verreisen können? In der Nacht vom Donnerstag zum Freitag haben wir in Leipzig auch mal wieder im Keller mit gesessen. Es war wenigstens nicht allzu lange. Von ½ 12 - ½ 1 Uhr. Wenn ich Dir in der nächsten Zeit nicht mehr so lange Briefe schreibe, darfst Du nicht böse sein, denn bis zum Verreisen habe ich noch sehr viel zu tun. Auch hier will ich noch ein Kleid für Heidi machen.
Und nun für heute gute Nacht, kleiner Mann, nimm viele liebe Grüße und einen Kuß von
Deiner Lenifrau und Heidikind.
Vergiß uns nicht und behalt uns lieb, wie wir Dich lieb behalten.
Von Mutti und Papa viele herzliche Grüße.
Heidi Ostern 1944 in Oschatz
E.O., den 15.4. 44
Meine liebe kleine Lenifrau!
Für Deinen lieben Brief vom 11.4. danke ich Dir vielmals und habe ich mich sehr darüber gefreut. Heute kam auch ein Brief von Mutter, so dass es ein schönes Wochenende ist, wenn man viel Post bekommen hat. Ich hatte immer gehofft, dass Ihr nun weniger Alarme durchzumachen hättet, aber leider, hoffentlich habt Ihr nun wenigstens in Bad Elster Ruhe. Weisst Du, man stumpft hier so ab, dass man sich bloss noch für Einflüge interessiert, die in Richtung Mitteldeutschland liegen, aber dann hat man erst wieder Ruhe, wenn man erfahren hat, wie es zu Hause aussieht. Der langanhaltende Alarm am dritten Feiertag war ja ein würdiger Festtagsabschluss, aber nur gut, dass der Angriff nicht Euch gegolten hat. Ueber den Verlauf der Feiertage bei mir habe ich ja schon geschrieben, sie waren mehr als mies, aber man hat sich ja schon langsam daran gewöhnt. Ich wäre sehr gern das Fest über ins Sauerland gefahren, aber das wird wohl erst übernächste Woche was werden, denn die Arbeit ist verflixt schwierig, ausserdem muss ich ja nebenbei auch noch meine laufenden Arbeiten
Weitere Kostenlose Bücher