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Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman

Titel: Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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reflektierend. Später dann ging manches verloren, Bruchstücke begannen den Spiegeln zu fehlen oder erblindeten, aber immer wenn ich diesen Guanogeruch rieche, im Düngemittel zum Beispiel, das meine Mutter ihren Topfpflanzen kredenzt, glaube ich Ines zu spüren, wie einen Brunnen, durch den ich in eine andere Welt steige und wo mir die Frau Holle aufträgt, ihre Betten zu machen.
    Dann standen wir vor dem Schwanenhaus. Ines’ Mantel sah furchtbar aus, und auch mein Vertreterkostüm hatte erheblich gelitten. Ihre alte Lachlust war wieder da. »Ich muß zum Laden«, sagte sie. »Dick kommt vielleicht in der Mittagspause. Den Mantel bring ich besser vorher in die Reinigung.«
    Sie hauchte mir einen Kuß auf die Stirn. Es war mehr ein Kitzeln wie von einer Pusteblume. »Du solltest fahren, Piet«, sagte sie. »Es ist hier nicht ganz geheuer.« Dann rannte sie in Richtung Stadt.
    Auch ich machte mich auf den Weg. Ich ging wie Hänschen, mit ausholenden Schritten, beschwingt und wohlgemut, auch wenn ich keinen Stock hatte und statt des Hutes eine aus dicker dunkelgrüner Wolle gestrickte Mütze trug. Im Hotel duschte ich und zog mir meine alten Sachen an. Der Anzug und der Mantel rochen penetrant nach Vogelmist. Das ganze Zimmer stank danach. Ich dachte an Ines. Dann ging ich hinunter und setzte mich in den Schankraum. Es war kurz vor eins.
    Ich ließ mir ein Bier servieren. Der Kellner war übertrieben höflich, hielt die linke Hand beim Einschenken lehrbuchmäßig im Rücken. Als um zwei noch niemand nach mir gefragt hatte, holte ich meinen Fotoapparat, ging hinaus und begann, das Obere Schloß aus allen möglichen Perspektiven zu fotografieren. Ich glaube, es war der hilflose Versuch, ein Geheimnis zu bannen, ihm durch Einfrieren auf einem Bild das Bedrohliche zu nehmen, das für mich immer noch von diesem dunklen Gebäude über dem Ort ausging, selbst jetzt, da ihm der Schnee eine gewisse Postkartenschönheit verlieh.
    Ein Trabbi hielt neben mir, das Fenster wurde heruntergedreht. »Schön, daß Sie die Kamera dabei haben. Ich wollte Sie schon danach fragen, ob Sie eine haben. Es tut mir leid, daß ich mich verspätet habe. Steigen Sie ein.«
    Es war mein Freund aus dem unteren Schloßhof. Wir fuhren die Straße hoch, die ich vor zwei Tagen kurz nach meinem Eintreffen in den Ort hinabgelaufen war. Dabei passierten wir eine Gruppe Straßenarbeiter, die mit Schaufeln und Pickeln dabei waren, ein Loch auszuheben. Mein Nebenmann pfiff durch die Zähne. »Alles ehemalige Parteileute«, sagte er. »Die zweite Garnitur. Die erste sitzt in den Villen dort oben.«
    Wir hielten vor einem Haus, das mir schon bei meinem ersten Spaziergang mit Dick durch den Park wegen seiner Schönheit aufgefallen war. Ein Haus mit großen Holzveranden, wie ich es von Badeorten her kannte.
    Das Grundstück lag hinter dem Bahndamm am Ende eines Tales. Es war groß und voller Bäume und verfügte sogar über einen Teich. Während das Haus in besserem Zustand als die meisten umliegenden Gebäude war, sah es im Garten wüst aus. Überall zwischen den Bäumen Holzplanken, Autoreifen, Plastikteile. Auch der Teich sah wie eine Müllkippe aus.
    »Das Haus gehört mir seit zwanzig Jahren«, sagte der Mann neben mir. »Privatbesitz, stellen Sie sich das damals vor! Es ist das ehemalige Gartenhaus des ursprünglichen Besitzers. Einer jener reichen Fabrikanten, dem all die schönen Häuser im Ort zu verdanken sind. Diese halben Schlösser, die sie mit ihren Webereien verdient haben. Das ist das Haupthaus.«
    Er wies auf einen mächtigen Barockbau, dessen Fassade rot zwischen den Bäumen leuchtete.
    »Das Altersheim. Mein früherer Arbeitsplatz. Zweihundertfünfzig Alte hatten wir und dreißig Angestellte. Ich habe jeden Tag für zweihundertachtzig Leute gekocht. Das Häuschen sollte wegen Baufälligkeit abgerissen werden, da habe ich es für einen geringen Betrag gekauft. Sie hielten mich für verrückt, und sie hatten recht. Nach zehn Jahren hatte ich es wieder in seiner alten Schönheit beisammen. Jede freie Minute haben meine Frau und ich hineingesteckt. Wir waren ein leuchtendes Beispiel für die Vorteile des Privatbesitzes, und das ärgerte die da oben, die Bonzen, wissen Sie. Da kamen sie auf eine besonders perfide Idee. Sie bauten hier am Talausgang Garagen und schütteten den Boden auf. Die Folge war, daß das Flüßchen ein hohes und ein niedriges Ufer bekam. Mein Grundstück liegt auf der niedrigen Seite. Bei der jährlichen Schneeschmelze lief

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