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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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beengter.»
    Beatrice nickte und sah sich um. Bei dieser Auffassung von Ordnung hätte wohl niemand einen der jungen Männer lange als Untermieter behalten.
    «Wie alt sind Sie, Herr Sachs?» Florin hatte sein Clipboard gezückt und den Kugelschreiber aufs Papier gesetzt.
    «Sechsundzwanzig. Seit April. Können Sie mir sagen, wie Gerry …»
    «Gleich. Aber erst möchte ich Sie bitten, meine Fragen zu beantworten. Nicht erschrecken, Sie sind nicht verdächtig, aber: Wo waren Sie vorgestern Nacht zwischen einundzwanzig und fünf Uhr?»
    Sachs’ Blick ging ins Leere. «Ist das die Zeit, also, ist Gerry da –»
    «Ja. Unser Gerichtsmediziner sagt, dass Gerald Pallauf innerhalb dieser Zeitspanne getötet worden ist.»
    Endlich löste Sachs seine Hände voneinander, aber nur, um sein Gesicht in ihnen zu verbergen. «Zu Hause. Und es gibt niemanden, der das bezeugen kann. Das wollten Sie mich doch fragen, oder? Um ungefähr halb elf habe ich mir eine Pizza geholt, gleich vorne an der Ecke. Sie können sich bei Ahmed erkundigen, der hat mich bedient.»
    Das würden sie tun, auch wenn es Sachs kein Alibi verschaffte. Beatrices Blick blieb an einer leeren Keksschachtel hängen, die zusammengeknüllt unter dem Couchtisch lag, umgeben von Krümeln. Sie tat, als müsste sie husten, um hinter der vorgehaltenen Hand ein Grinsen zu verbergen. Wenn Sachs der Täter war, würden sie ihn innerhalb von zwei Tagen überführt haben. Jemand, der solches Chaos verbreitete, war unmöglich imstande, die Spuren seiner Tat mit der nötigen Gründlichkeit zu verwischen.
    «Können wir das Zimmer von Herrn Pallauf sehen?», fragte sie. «Und Ihres?»
    «Ja. Sicher.» Sachs führte sie mit schnellen Schritten in sein Zimmer, als wolle er es so bald wie möglich hinter sich haben. «Bitte.»
    Der gleiche Anblick wie im Wohnzimmer, mit nur leichten Abweichungen. Auf dem schmalen, zerwühlten Bett machten sich Zeitschriften den Platz mit leeren CD-Hüllen und einer Fernbedienung streitig. Der Boden war praktisch vollständig bedeckt. Überall T-Shirts, Werbezettel, Bücher.
    In Gerald Pallaufs Zimmer zogen bunte Plakate an den Wänden den Blick auf sich, hauptsächlich Filmposter. The Avengers, James Bond, Batman. Der Raum erweckte einen geringfügig saubereren Eindruck als der von Sachs, fast als hätte Pallauf verzweifelt versucht, die Auswirkungen jahrelangen Nicht-Putzens in einer halben Stunde ungeschehen zu machen. In einer Ecke entdeckte sie einen Stuhl, über dessen Lehne einige Jeans in Übergröße hingen. Die Bettdecke war zusammengefaltet, das Kopfkissen aufgeschüttelt. «Haben Sie seit vorgestern etwas verändert?», fragte sie Sachs.
    Der schüttelte den Kopf. «Nein, es ist alles so, wie Gerry es zurückgelassen hat.»
    «Können Sie uns sagen, ob er eine Waffe besessen hat?»
    Sachs’ Augen weiteten sich. «Gerry? Nie im Leben. Na gut, er hat ein Laserschwert und eine Zwergenaxt, aber die ist nicht scharf.»
    Das Unverständnis in ihrer und Florins Miene musste überdeutlich gewesen sein. «Gimlis Axt», ergänzte Sachs in einem Ton, als erkläre das alles. «Aus dem ‹Herrn der Ringe›. Wir sind beide große Fans.»
    «Und Schusswaffen? Hat Herr Pallauf eine Pistole besessen? Oder eine für jemanden aufbewahrt?»
    «Ganz bestimmt nicht. Das wüsste ich.»
    Sie gingen zurück ins Wohnzimmer. Florin klebte zwei gekreuzte Streifen Absperrband über die Tür zu Pallaufs Zimmer. «Bitte nicht mehr betreten, bis unsere Leute da waren. Wenn Sie es doch tun, werden wir es merken.»
    «Okay.» Sachs begann, an der Nagelhaut seines linken Daumens herumzubeißen.
    Die Sonne leuchtete hinter den trüben Fensterscheiben. Beatrices Wunsch nach frischer Luft wuchs ins Unermessliche.
    «Hatte Herr Pallauf eine Freundin?» erkundigte sich Florin, während er einen halben Kartoffelchip vom Sofa klaubte. «Oder auch einen Freund? Eine intime Beziehung?»
    Erstmals verzog sich Martin Sachs’ Mund zu einer Art von Lächeln. «Ich dachte schon, Sie würden nie fragen!» Der kurze Anflug von Fröhlichkeit verebbte sofort wieder. «Bis vor fünf Tagen hätte ich nein gesagt, aber letztens – hat sich eine Frau für ihn interessiert. Mehr als das, um genau zu sein. Sie stand plötzlich vor der Tür und wollte zu Gerry. Er hat sie reingelassen, und sie ist geblieben, mehrere Tage lang, eigentlich bis …» Sachs hob die Hand und ließ sie wieder fallen. Es war klar, was er meinte.
    «Und das konnten Sie uns nicht gleich sagen?» Florins Stimme

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