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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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du es getan? Mit Mitte zwanzig?»
    «Vielleicht. Wahrscheinlich eher nicht. Ich war damals in einer festen Beziehung, die ich sehr ernst genommen habe. Darin liegt vermutlich auch der Unterschied zwischen mir und Gerald Pallauf. Keine Freundin, keine Eltern – ich könnte mir vorstellen, dass er einsam war.»
    Ich war in einer festen Beziehung, die ich sehr ernst genommen habe.
    Beatrice ließ die Worte in ihrem Kopf nachklingen. Fragte sich, wie Florin wohl mit fünfundzwanzig gewesen war, und blickte dann schnell nach vorne, als sie bemerkte, wie lange sie ihn schon ansah.
    Er startete den Wagen. «Einsamkeit macht uns hungrig, Bea. Nach Bestätigung, nach Zuneigung, nenn es, wie du willst. Wenn ich es mir genau überlege – wer weiß, vielleicht hat Pallauf das Mädchen doch getötet. Als er gemerkt hat, dass sie das alles wusste und seine Einsamkeit für ihre Zwecke ausgenutzt hat.»

    Die ersten Ergebnisse, die aus der Spurensicherung kamen, sprachen für Florins Annahme. Auf der Glock hatte man Pallaufs Fingerabdrücke gefunden – nur seine. Darüber hinaus Schmauchspuren an der Hand. Aber nichts, was darauf hinwies, dass er die Waffe zum Tatort gebracht hatte – keine Faserspuren, die mit dem Stoff seiner Jacke übereinstimmten, nichts. Als hätte er die Pistole noch mal in aller Gründlichkeit saubergemacht, bevor er sich damit getötet hatte.
    Konnte es trotzdem Selbstmord sein? Die Fußspuren rund um den Tatort waren laut Drasches Bericht kaum brauchbar – die beiden Studenten hatten keinerlei Rücksicht auf die Spurenlage genommen, ebenso wenig wie die anderen Spaziergänger, die den ganzen Tag über den nahen Spazierweg durch den Wald entlanggewandert waren, ohne die Leichen zu bemerken.
    Auch darüber, ob Pallauf die Schuld am Tod des Mädchens trug, ließ sich nichts Genaues sagen. An der Wäscheleine waren seine Fingerabdrücke nicht gefunden worden. Gar keine Abdrücke, um genau zu sein, die einzigen organischen Spuren stammten von der Haut des Opfers.
    Sarah. Wenn sie wirklich so hieß.
    Nach ihrer Rückkehr ins Büro hatte Beatrice sich sofort mit dem deutschen Bundeskriminalamt in Verbindung gesetzt, ein Foto des toten Mädchens geschickt und um Hilfe bei der Identifikation gebeten.
    Nun hieß es warten.
    Sie ging gerade noch einmal die Daten durch, die vorhin von Drasche gekommen waren, als Stefan in ihr Büro platzte. «Morgen bekommen wir den Computer des Opfers. Ich übernehme ihn, okay? Dann kann ich euch am Abend vielleicht schon jede Menge über den armen Kerl erzählen.»
    «Gut.» Florin klopfte nachdenklich mit dem Bleistift auf die Schreibtischplatte. «Halte besonders Ausschau nach Seiten, die sich mit Selbstmord beschäftigen – es gibt eigene Plattformen dafür, nicht wahr? Wo man sich zum gemeinsamen Lebensende verabreden kann.»
    «Wird gemacht.» Stefan war schon wieder aus der Tür, und Beatrice fragte sich unwillkürlich, ob sie in ihrem Leben wohl noch ein einziges Mal so viel Energie haben würde.
    Über den Nachmittag tröpfelten die Informationen herein. Sarah war nicht vergewaltigt worden und hatte in den letzten achtundvierzig Stunden vor ihrem Tod auch keinen Geschlechtsverkehr gehabt. Ihr Körper wies aber, ebenso wie der von Pallauf, leichte Blutergüsse auf. «Nicht schlimm genug, um als Misshandlungsspuren gedeutet zu werden», erklärte Vogt am Telefon. «Eher, als wären die beiden heftig herumgeschubst worden.»
    So wie er es sagte, klang es, als ginge er von einem dritten Beteiligten aus. Einem, der, wie Vogt es nannte, geschubst hatte.
    Kurz bevor sie sich am Abend zum Gehen bereitmachte, kam eine weitere Nachricht herein. Die Glock war vor drei Jahren als gestohlen gemeldet worden.
    «Glaubst du, dass ein übergewichtiger Tolkien-Fan Pistolen stiehlt? Oder gestohlene Pistolen kauft?», fragte Beatrice.
    In Florins Gesicht hatten sich bereits Spuren der Müdigkeit gegraben, doch nun lachte er auf und wirkte mit einem Schlag wieder vollkommen frisch. «Bea! Wie oft predigst du mir, dass man nicht nach dem ersten Eindruck gehen darf! Und dann fragst du so was?»
    Sie grinste, halb amüsiert, halb verlegen. «Natürlich nicht. Aber sein Zimmer! Harmloser geht es doch kaum – James Bond und Superhelden an der Wand! Pallauf kommt mir vor wie ein zu schnell gewachsenes Kind. Naiv, vertrauensselig und wahrscheinlich dankbar für jedes freundliche Wort.»
    Und das hat ihn womöglich umgebracht. Sie sprach es nicht aus, dachte es nur. Florin hatte sie nicht aus den

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