Blinder Rausch - Thriller
inszenieren, dass die Polizei uns dann am Tatort festnimmt. Er hat sogar meinen iPod an der Stelle abgelegt, an der er sich hinuntergestürzt hat, damit man denkt, ich wäre das gewesen und hätte das Teil dabei verloren.«
»Krass! Dann hat er das schon länger so geplant! Bezüglich Frederik ist es nicht aufgegangen, weil der ungesehen entkommen konnte und du bist erst gar nicht in die Fabrikhalle gegangen. Ich verstehe es sowieso nicht, warum er dich überhaupt bestellt hat, du hast ihn doch weder gedizzt noch hast du mit dem, was auf der Party passierte, etwas zu tun.«
Niklas lacht leise und bitter auf. »Das kannst du dir nicht denken, wofür er mich bestrafen wollte? – Wegen dir! – Er war eifersüchtig.«
Leonie erinnert sich an Benjamins Stimmungsumschwung damals auf dem Friedhof, nachdem sie mit Niklas telefoniert hatte. »Ja. Das kann stimmen«, bestätigt sie.
Die Nacht kann ein dunkler Pelz sein, der sich über einen legt und das Atmen schwer macht. Leonie wälzt sich zur Seite und zieht ihr neues Handy von der Ablage neben dem Bett. Es ist drei Uhr. Noch drei Stunden, bis es wieder hell wird. Sie schwitzt. Draußen auf der Parkstraße brummt ein Linienbus vorbei und lässt die Fensterscheiben dumpf vibrieren. In Gedanken schwebt Leonie über diese Straße, hinein in den nächtlichen Park, zum See, wo ein Licht in einem roten Glasbecher flackert. Der Wind spielt mit einem Pappdeckel und weht ihn in das schwarze Wasser. Bis der Morgenstern aufgeht, denkt Leonie, in euren Herzen.
Ist sie wach oder träumt sie? Es ist mehr so ein Zustand zwischen beidem.
Lucy Fair. Luzifer. Der Lichtträger.
Welch verrückte Gedanken durch Bennys Kopf spukten!
Es war keine gute Lösung, die du dir ausgedacht hast, Benny. Du hättest es nicht tun müssen. Wenn du erzählt hättest, wie das alles gekommen ist, hätte man dir eine Chance gegeben. Warum hast du die nicht gesehen? Oder wäre es an uns gewesen, sie dir zu zeigen? Benny, erklär mir das!
Lucy Fair antwortet, › Ich weiß, was ich weiß, und irgendwas weiß ich immer ‹ .
Benny. Lass den Blödsinn! Rede Klartext! Was hast du mit meinen Bildern gemacht?
› Ich weiß, was ich weiß. ‹
Ich hoffe, du hast die Dateien vernichtet. Das kannst du doch nicht gewollt haben, dass sie in unbefugte Hände kommen, Bilder von mir! Benny, ich denke, du mochtest mich und dann wolltest du mir so sehr schaden?
› Nein, ich wollte dir nicht schaden. Ich war dein Schutzengel. Niemand außer mir sollte diese Bilder haben dürfen! Keinem von diesen Kerlen hätte ich sie gegeben. ‹
Und wo sind diese Bilder jetzt? Sag es!
Lucy Fair: Die Antwort kennt nur der Wind …
Leonie setzt sich mit einem Schlag auf. Sie ist plötzlich hellwach und denkt angestrengt nach. Dann fällt ihr der Spruch wieder ein, den Lucy Fair ihr bei MYFRIENDS schrieb: »Die Antwort kennt nur der Wind oder die Unterseite von deinem Spind.« Jetzt ist sie sich sicher: Dieser sinnlose Spruch, den sie damals als Spinnerei von Benny abtat, ist wieder eine von Bennys verschlüsselten Botschaften!
Aber was bedeutet sie? Bei › Spind ‹ fallen ihr die Schließfächer in der Schule ein. Leonie hat jedoch kein Schließfach gemietet. Auch stehen diese großen Stahlschränke bündig auf dem Boden. Es gibt keine Möglichkeit, etwas darunter zu deponieren. › Spind ‹ Was ist eigentlich ein Spind? Leonie setzt sich an den Schreibtisch und klappt das Laptop auf. Sie liest: Spind. Schmaler, eintüriger Schrank. Wo hat Leonie einen schmalen, eintürigen Schrank? Flash! Mit einem Schlag steht die Lösung vor ihren Augen. Sie springt auf, schnappt sich den Wohnungsschlüssel und saust barfuß die Treppe hinab. Atemlos kommt sie vor den Briefkästen an und tastet die Unterseite von Fischers Briefkasten ab. Sie wird fündig. Mit Paketklebeband ist dort ein kleiner Stick befestigt.
Wenig später ist Leonie wieder in ihrem Zimmer und starrt atemlos auf den Bildschirm ihres Laptops. Der Stick hat mehrere Bilddateien. Es sind Fotos, verwackelt, mit dem Handy aufgenommen. Fotos von Denise und Leonie. Ihre Gesichter sind entsetzliche Fratzen. Die Augäpfel unter den halb geschlossenen Lidern sind verdreht. Aus den Mündern rinnt der Speichel. Fettige Haut glänzt. Sehr viel blanke Haut. Leonie beißt sich auf die Lippen und schluchzt. Die Bilder verschwimmen vor ihren Augen. Es gibt noch eine Textdatei. Leonie öffnet sie.
Es ist eine Art Brief von Benjamin:
Alles was passiert ist,
wollte ich so
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