Blinder Rausch - Thriller
der Stadt hinaus führt. »Wohin fahren wir?«, erkundigt sich Leonie. »Du wolltest doch ungestört mit mir reden«, antwortet Frederik bissig. »Genau dahin fahren wir.«
Es geht durch eine kleine Straße bergauf in Richtung Wald. Schließlich biegen sie in einen Weg ein, der rechts und links von Schrebergärten gesäumt ist. Am Waldrand befindet sich ein großer Parkplatz. Leonie kennt sich hier aus. Hier ist der große Waldspielplatz an dem hölzernen Aussichtsturm, von dem aus man einen beeindruckenden Blick über die Skyline der Stadt hat. Jetzt in der Mittagszeit sind nur wenige Besucher mit Kindern dort. Die meisten werden erst später eintreffen.
»Ich hol uns ’was zu trinken«, sagt Frederik plötzlich erstaunlich freundlich und setzt sich in Bewegung zu dem kleinen Lokal am Fuße des Turmes. Einige Leute sitzen an Tischen mit karierten Tischdecken und essen. Frederik nähert sich dem Verkaufsfenster und bestellt. Leonie steht am Fuße des Turmes und schaut hinauf. Lange ist es her, dass sie das letzte Mal hier war. Hinter dem Dach des Turmes ziehen die Wolken vorbei. Ihr wird schwindelig und sie lässt ihren Blick wieder über die Szenerie im Gartenlokal wandern. Sie sieht, wie eine Hand, die aus dem Innern des Kiosks kommt, vor Frederik zwei kleine Flaschen auf dem schmalen Tresen aufbaut. Frederik greift schnell danach und legt mit der anderen Hand Geld hin. Dann kommt er auf sie zu und reicht ihr eine Flasche Apfelschorle. Er deutet auf den Turm. »Wir gehen da hinauf. Ein guter Ort, um ungestört zu reden, man hört schon von Weitem, ob jemand kommt.« Das erscheint Leonie plausibel. Sie nickt und macht sich auf den Weg. Am Fuß der Treppe zögert sie. »Bitte, die Dame zuerst«, sagt Frederik mit gespielter Höflichkeit. Sie hat ein mulmiges Gefühl dabei, Frederik den Rücken zuzukehren. Ihre Schritte dröhnen dumpf auf den Holzstufen, sodass sie nichts anderes wahrnehmen kann. Aber was sollte er hinter ihr auch tun? Sie beruhigt sich wieder und stapft mit festen Schritten voran.
Als sie auf halber Höhe angekommen sind, bleiben sie ein wenig außer Atem stehen und lassen den Blick schweifen. Niemand ist ihnen nachgekommen. Die Leute unten im Lokal sehen aus wie Spielzeugfiguren. Leonie öffnet ihre Flasche und trinkt. Frederik zieht aus der tiefen Seitentasche seines weit geschnittenen Trenchcoats ebenfalls eine Flasche Apfelschorle und setzt sie an. Sie lässt ihren Blick über die Landschaft schweifen, behält Frederik jedoch unbemerkt im Augenwinkel. Ihr fällt auf, dass er sie beim Trinken genau zu beobachten scheint. Leonie wird nachdenklich. Was hat Frederik mit ihr vor? Sie kneift die Augen zusammen und beobachtet ihn weiter heimlich. Er hat seine Flasche wieder im Mantel verschwindeln lassen, die Hände auf die Brüstung gelegt und schaut in die Ferne. Der Wind spielt mit den Haarsträhnen in seiner Stirn. Seine hellen Augen sind von einem Kranz dunkler Wimpern umsäumt. Wenn jetzt ein paar Mädchen hier vorbeikämen, würden sie ihn anschmachten. Er hat es einfach drauf, sich gut in Szene zu setzen, denkt Leonie. Aber ich bin inzwischen immun. Sie grinst und betrachtet das Etikett ihrer Trinkflasche. Es ist anscheinend beim Aufkleben verrutscht, und das rotwangige Äpfelchen auf dem Bild ist verschrumpelt und nicht prall, wie es eigentlich gedacht war.
»Komm, wir gehen höher«, schlägt Frederik vor. Sein Blick hat etwas Lauerndes. Er lässt Leonie wieder den Vortritt. Als sie die ersten Stufen nimmt, ärgert sie sich, dass sie nicht darauf bestanden hat, ihn diesmal vorausgehen zu lassen. Jetzt hat sie ihn wieder im Rücken und kann nicht beobachten, was er eigentlich tut. Inzwischen ist sie sich sicher, dass von ihm eine Gefahr ausgeht. Leonie denkt fieberhaft nach, wie sie die Situation zu ihren Gunsten ändern könnte. Plötzlich hat sie eine Idee. Sie erhöht das Tempo, nimmt gleich mehrere Stufen auf einmal, bald schon hört sie, dass Frederik ihr nicht mehr dicht auf den Fersen ist. Im Gegenteil, seine Schritte auf den Holztreppen verlangsamen sich. Er befindet sich jetzt genau ein Stockwerk unter ihr und ist stehen geblieben. Leonie kniet sich vorsichtig auf den Holzboden und hält ihr Auge an eine Ritze zwischen den Dielen. Schräg unter ihr steht er und lauscht nach oben. »Leonie?«, ruft er. Leonie wendet den Kopf in die andere Richtung, hält die Hand vor den Mund und ruft gedämpft, als sei sie bereits viel weiter weg. »Ja?« »Bist du schon oben?« »Ja.« Sie sieht,
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