Blitz legt los
in der Tür des Wagens. Seine großen Augen leuchteten auf, als er das Klicken der Kameras und die Zurufe aus der Menge vernahm: „Bleib noch eine Minute so stehen, Alec!“
„Er ist in der Vorderpartie durchaus nicht schwerer geworden“, rief einer der Reporter.
„Ich hab dir’s gleich gesagt, daß das bei ihm nicht der Fall sein würde“, gab ein anderer zurück. „Hast du denn nicht gehört, daß Henry erzählte, er wäre alle Tage draußen auf der Koppel und galoppiere so viel, daß sie eher schon Sorge hatten, er würde zu mager?“
„Wenn ihr mich fragt“, tat ein Pferdepfleger seine Meinung kund, „so finde ich, daß er sogar noch besser aussieht als in dem Chicagoer Rennen. Schöner vielleicht nicht, aber härter, muskulöser. Wo hat er denn die vielen Narben her? Wie kann er die im Gestüt bekommen haben?“
„Auf der Farm hat er sie nicht gekriegt“, antwortete ein Jockey. „Weißt du nicht, daß er vor zwei oder drei Jahren auf einem Flugtransport in den Rocky Mountains abgestürzt ist und dann ein paar Monate lang in der Wildnis umherirrte, bis Alec Ramsay ihn wiederfand? Das stand doch in allen Zeitungen. Aber das ist schließlich längst vorbei. Freu dich, daß du jetzt hier bist und Blitz’ Rückkehr auf die Rennbahn miterleben darfst!“
Der schwarze Hengst, dessen ungewöhnliche Größe nicht auffiel, weil er wundervoll proportioniert war, wurde unruhig oben auf der Rampe. Weil er nervös war, war sein Körper feucht und glänzte in den Strahlen der Morgensonne. Seine kleinen Ohren spielten in allen Richtungen, zuletzt nach rückwärts, weil er lauschte, als Alec an seiner Seite zu ihm sprach.
Die Reporter beobachteten des Hengstes steigende Erregung mit Aufmerksamkeit, denn wenn er an Rennen teilnehmen sollte, mußte er fügsam sein. Schnelligkeit allein nützte nichts, wenn er nicht zu bändigen war. In seiner Jugend war das nicht möglich gewesen. Er hatte jeden anderen Hengst auf der Bahn angegriffen, um mit ihm zu kämpfen. Deshalb hatte Alec ihn damals nach dem großen Sieg in Chicago nie mehr Rennen laufen lassen können. Erst die Zeit in der Wildnis nach dem Flugzeugabsturz hatte ihn geändert, denn dort hatte er dauernd um sein Leben kämpfen müssen, und gleich danach hatte er in einem Zufallsrennen bewiesen, daß er nun auch auf der Bahn in seinem Element war. Trotzdem hatte Alec ihn bisher nicht als Rennpferd herausgebracht.
Count Cornwall, der Verfasser des erwähnten Artikels, befand sich auch unter den Reportern. Ihn überraschte es nicht, daß Blitz sein wildes Temperament zeigte, denn er wußte seit langem, daß bei Rennpferden eine enge Beziehung zwischen der Fähigkeit, Rennen zu gewinnen und feurigem Temperament und Mut bestand. Ein Pferd, das ständig daran erinnert werden mußte, daß der Mensch sein Herr war, besaß fast immer den eisernen Willen zu siegen, und gleichzeitig die körperliche Fähigkeit, Siege zu erkämpfen. Diese Regel mochte Ausnahmen haben, aber er war sicher, daß sie in diesem Fall zutraf.
„So, nun ist’s genug“, entschied Alec in diesem Augenblick. „Bitte, treten Sie zur Seite. Ich führe Blitz jetzt hinunter.“
Blitz kam die Rampe ein wenig zu hastig herunter. Die Umstehenden wichen schnell zurück, drängten aber wieder nach vorn, als der Hengst zum Stehen kam. Blitz horchte auf Alecs Stimme, er warf seinen Kopf wieder hoch und hielt still, offensichtlich alle Sinne darauf gerichtet, zu verstehen, was sein Herr zu ihm sprach.
Henry Dailey sagte: „Vorwärts, meine Herren, machen Sie bitte Platz. Die Vorstellung ist zu Ende, Sie haben Ihre Bilder ja gemacht.“ Er beeilte sich, Napoleon an Blitz’ Seite zu führen. „Platz da! Die Pferde müssen jetzt hierdurch!“ schrie er gleich darauf im Befehlston.
Napoleon sah, daß sich die Menge teilte, als sie sich näherten. Er schnaubte, und man merkte ihm an, wie sehr er sich seiner nützlichen Rolle bewußt war und sie genoß.
Einer der Reporter tippte Henry Dailey auf die Schulter, als die kleine Prozession sich den langen, grünweiß gestrichenen Ställen näherte: „Glauben Sie wirklich, daß Blitz noch Chancen hat, große Rennen zu gewinnen“, fragte er.
„Warum denn nicht?“
Der Reporter lachte. „Ich kann mir ’ne ganze Menge von Gründen vorstellen, aber ich wollte es von Ihnen selber hören. So weit ich mich nämlich erinnern kann, hat es nur ein einziges Pferd gegeben, das jemals ein Comeback geschafft hat, nachdem es als Deckhengst aufgestellt worden war.
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