Blood Romance 04 - Ruf der Ewigkeit
hingab. Sie würde an der Enttäuschung zerbrechen und die Ewigkeit würde ihre Klauen noch fester um sie legen.
Wo steckte Mr Wellington bloß? Er hätte eigentlich schon zurück sein sollen, aber anscheinend hielten ihn seine Geschäfte länger in Padua fest, als angenommen. Den Gedanken, selbst nach Padua zu reisen, um Emilias Vater von den Zuständen auf Montebello zu unterrichten, verwarf Henry sogleich wieder. Die Reise würde viel zu viel Zeit kosten und am Ende würden Mr Wellington und er sich gerade verpassen. Je mehr Minuten verstrichen, desto mehr breitete sich Panik in Henry aus, unbändige Angst um Emilia und ... Eifersucht. Emilia war sein Schatz, den er schon seit vielen Jahren hütete und vor allem Bösen abschirmte. Wenn jemand ein Anrecht auf sie hatte, dann er. Und er war auch der Einzige, der sie aus der Unendlichkeit befreien konnte. Denn Henry war sich seiner Gefühle für Emilia sicher, er existierte allein für sie, er hatte ihr sein Leben geweiht und sein Herz behutsam darauf vorbereitet, eines Tages auch für sie zu schlagen.
»Du kannst mich nicht fortjagen wie einen streunenden Hund«, zischte Henry durch zusammengebissene Zähne. »Du wirst sie mir nicht einfach wegnehmen, bloß, weil sie dir gerade gefällt.«
Das Beste war wohl. Dustin zunächst in dem Glauben zu lassen, er hätte ihn mit seiner Drohung tatsächlich in die Flucht geschlagen. Aber schon in der kommenden Nacht, wenn alle schliefen, würde Henry nach Montebello zurückkehren und Dustin di Ganzoli einen netten Überraschungsbesuch abstatten.
»Und dieses Mal werde ich nicht zögern«, flüsterte Henry. »Dieses Mal, das schwöre ich bei meinem Leben, werde ich dich töten!«
Wieso habe ich ihn damals nicht getötet?, fragte sich Dustin nicht zum ersten Mal in den letzten Stunden. Ich hatte die perfekte Gelegenheit, als er wimmernd und verletzt vor mir am Boden lag. Niemand hätte es bemerkt, niemand hätte ihn für lange Zeit vermisst oder sich die Mühe gemacht, ausgiebig nach ihm zu suchen. Ich hätte ihn irgendwo dort im Wald verscharren können, genau wie ich es mit Fido tun musste. Ich bin so ein Idiot!
Der Groll auf Henry, diesen grauäugigen Kerl, der seinen Hund getötet hatte, stieg mit einer Wucht in Dustin hoch, als hätte er ihn erst gestern neben Fidos Leiche ertappt und fortgejagt. Ja, damals hatte er ihn, aus welchem Grund auch immer, entkommen lassen. Nun, Jahrzehnte später, bereute er es zutiefst. Niemals wäre er auf die Idee gekommen, dieser Schwächling könnte ihm gefährlich werden. Aber Henry hatte seine einzige Chance erkannt und ergriffen. Wann war er wohl zu Jonathan geworden, diesem gut aussehenden, ewig strahlenden Sunnyboy mit den flotten Sprüchen auf den Lippen, der es mit seinem falschen Gesicht geschafft hatte, Dustin so lange zu täuschen?
Die Landschaft flog an Dustin vorüber. Er war der einzige Fahrgast in dem Großraumabteil des Schnellzuges und bisher war noch niemand gekommen, um seine Fahrkarte zu kontrollieren. Dustin zog einen Block und einen Kuli hervor, die er sich vorhin am Bahnhofskiosk gekauft hatte. Es brachte nichts, sich über verflogene Chancen den Kopf zu zerbrechen. Henry existierte noch immer und war neben Emilia zu einer weiteren Gefahr für Dustin geworden. Und wieder waren er und Dustin an demselben Mädchen interessiert. Es war wie ein Fluch. Und zugleich verbarg sich hinter dieser Ironie des Schicksals auch Dustins einzige Chance.
Dustin hatte bereits auf der Fahrt mit Sarah darüber nachgedacht, wie er Jonathan gegenübertreten sollte und ihn - zumindest vorläufig - für sich unschädlich machen konnte. Er musste sich zunächst auf sein größtes Problem, auf Emilia, konzentrieren. Ihm war nur eine Lösung eingefallen: Er musste an Jonathans Zuneigung zu Sarah appellieren ... und sehr überzeugend lügen.
Wieder klingelte es und Sarah griff nach ihrem Handy. Sie drückte ihre Mom nun schon zum fünften Mal weg. Sie wollte nicht mit ihr sprechen, ihr war noch immer schlecht von diesem unerwarteten, schockierenden Anblick im Hotel. Sarah wusste, dass sie etwas zu schnell fuhr, aber es war ihr egal.
Ihr Herz raste vor Wut und Enttäuschung. Wie konnte ihre Mutter ihr das nur antun? Sie hatte sie belogen und hintergangen, indem sie sich heimlich mit ihrem neuen Freund traf. Und das, nachdem sie Sarah erst kürzlich versichert hatte, dass sie sich Zeit mit einer neuen Beziehung lassen würde. War das etwa auch schon eine Lüge gewesen? Hatte sie das nur
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