Blood Romance 04 - Ruf der Ewigkeit
entwickeln, aber vielleicht ging es Jonathan in Wirklichkeit nur darum, Dustin als Konkurrenten auszustechen. Dann wäre Sarah nicht seine große Liebe, sondern vielmehr ein Hauptpreis, eine Art Trophäe, die Begründung für Jonathans Hass.
May fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen und setzte an, etwas zu sagen, doch Jonathan kam ihr zuvor.
»Glaubst du, der Brief ist verständlich?«, fragte er. »Oder habe ich etwas Wichtiges vergessen? Ich weiß, dass er etwas wirr klingt.«
May überlegte, was sie erwidern sollte, da fiel ihr Blick auf den Umschlag des Briefes, den Jonathan noch immer in der Hand hielt. Ihr kam ein Gedanke. Sie schüttelte entschieden den Kopf. »Nein, nein, dein Brief ist ... wirklich super und absolut verständlich«, sagte sie, erhob sich vom Stuhl und machte einen Schritt auf Jonathan zu.
George McCartney ...
Sie schielte mit zusammengekniffenen Augen auf das Kuvert, um die Adresse zu entziffern, die Jonathan daraufgeschrieben hatte. »Ich ... ich meine, dieser George ist ja schon seit Langem mit der Ewigkeit vertraut und auch ... mit Dustins und Emilias Geschichte. Er weiß sicherlich, wie er dein Problem einschätzen muss«, fuhr sie fort.
43 Orchard Avenue ...
Jonathan nickte und ließ die Hand mit dem Briefkuvert sinken. »Hoffentlich«, murmelte er und May lächelte nervös.
Mist, jetzt konnte sie nichts mehr erkennen.
»Du und George ... ihr scheint euch sehr ... nahezustehen. Das ist wirklich ... schön«, setzte sie erneut an.
Jonathan erwiderte nichts, sondern machte Anstalten, den Brief mitsamt Umschlag zurück in seine Tasche zu stopfen. Mays Herz raste. Sie musste Jonathan irgendwie ablenken - und zwar schnell!
»Sag mal, stimmt das wirklich mit Emilias Ultimatum? Dann wird es mit dem Brief aber ziemlich knapp, oder? Wo wohnt dieser George eigentlich Lass noch mal sehen ...« May griff nach Jonathans Hand mit dem Umschlag und riss sie nach oben.
Phoenix ... 85023 Arizona.
»He, Finger weg! Ja, natürlich stimmt es, warum sollte ich lügen?«, schnauzte Jonathan sie an. »Ich bin doch nicht blöd - ich verschicke ihn natürlich per Express, dann müsste George ihn eigentlich schon morgen erhalten. Ich kann nur hoffen, dass er nicht lange zögert oder umständlich zurückschreibt, sondern mich einfach anruft. Telefoniert haben wir bisher noch nie.«
»Ich werde dir helfen, wo ich nur kann«, sagte May leise. »Aber dafür musst du mich freilassen, Jonathan.« Sie sah ihm in die Augen. »Vier Tage - das ist nicht wirklich viel Zeit. Was passiert, wenn du nichts von George hörst? Und selbst wenn er dir einen Rat gibt, der dir weiterhelfen könnte - wo willst du Dustin auf die Schnelle auftreiben, um ihn Emilia auszuliefern? Das alles klingt für mich noch ziemlich vage.«
Jonathan betrachtete May misstrauisch und seine Brust hob und senkte sich heftig. In ihm schien es zu arbeiten. »Ich bin mir nicht sicher, wobei du mich im Moment unterstützen könntest«, sagte er schließlich. »Und solange mir nichts Nützliches einfällt, bleibst du am besten hier. Ich kann nicht noch mehr Ärger gebrauchen.«
May fluchte innerlich. Sie hatte auf eine andere Reaktion gehofft, aber sie wusste, dass sie Jonathan jetzt nicht umstimmen konnte. Erst musste sie ihm einen stichfesten Grund liefern, sie freizulassen. Als Jonathan sie erneut an den Stuhl gefesselt hatte und bereits auf dem Weg zur Tür war, drehte er sich noch einmal zu ihr um. »Trotzdem danke«, murmelte er, ohne sie dabei anzusehen. Dann verschwand er.
Sarah stand auf einem Stuhl im Schlafzimmer ihrer Mutter. Auf Zehenspitzen angelte sie nach der Geldkassette, die dort, ganz hinten zwischen der Bettwäsche im Kleiderschrank, stehen musste. Endlich fassten ihre Finger, was sie suchten und Sarah öffnete nervös den Deckel. Sie zählte die Banknoten - dreihundert Dollar. Obwohl das nicht wenig war, würde das Geld allenfalls ein paar Tage reichen, wenn sie an die hohen Spritpreise dachte. Aber sie selbst hatte auch noch etwas Bargeld in ihrem Geldbeutel, eine Zeit lang würde sie schon über die Runden kommen. Sie musste eben gut haushalten, wenn nötig, im Auto übernachten und sich zur Not einen Job suchen.
Kurz überkam Sarah ein Anflug von schlechtem Gewissen, als sie die Scheine an sich nahm. Doch dann rief sie sich wieder das Bild von heute Morgen vor Augen, das sie völlig durcheinandergebracht und überhaupt zu diesem Schritt bewogen hatte. »Du wolltest es schließlich nicht anders«, murmelte
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