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Blumen fuer Zoë

Blumen fuer Zoë

Titel: Blumen fuer Zoë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Kerr
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»amerikanischen Ureinwohner« in sich. Sie gehört zu den modernen Menschen, die sich weigern, ›Indianer‹ zu sagen, wenn sie von einem Indianer sprechen – das sind dieselben, die auch ›Afroamerikaner‹ sagen, wenn sie von Schwarzen reden. Viele Mädchen behaupten, indianisch zu sein, weil es sexy ist, zu einer vom Aussterben bedrohten Art zu gehören. Aber Zoë hatte hohe ausgeprägte Wangenknochen, deshalb glaubte ich ihr. Sie ging weg, um sich am Buffet einzudecken, und ich sah sie erst gegen Ende der Feier wieder, als die meisten Familienmitglieder bereits die Heimreise angetreten hatten und Tabitha, die zu viel Rum getrunken hatte, besoffen am Fuße der verkohlten Palme eingeschlafen war. Zoë bedachte mich nun mit einem Kuss auf die Wange und entschwand hüftenschwingend in die warme und dunkle Nacht. Ich muss wohl nicht erst sagen, dass ich keinen Schlaf finden konnte; sicher, ich hatte etwas getrunken, aber nicht minder aufgewühlt war ich durch den Wohlgeruch, den Zoë auf mein geschundenes Herz gelegt hatte. Ich war die Titanic und sie der Eisberg: Bald schon würde ich ganz plötzlich gluckernd untergehen, während sie immer noch da sein würde, wie ein Wunder der Natur.
    Ich hatte aufgehört zu lesen: Einmal mehr wurde ich durch die weibliche Schönheit an meiner intellektuellen Entfaltung gehindert. Von nun an verbrachte ich die meiste Zeit damit, mir
Cops
anzuschauen, eine hochgeistige Fernsehserie über den Alltag von Polizisten, sowie einen spanischen Nachrichtensender, den mir das Zimmermädchen simultan übersetzte. Dort erläuterte eine Wetteransagerin in ernstem Ton das Aufeinandertreffen von warmen und kalten Luftmassen vor der Küste Afrikas. Dieses Durcheinander hatte zur Entstehung eines besorgniserregenden Tiefdruckgebiets geführt, das sich langsam auf Florida zubewegte. Am Fuße des Bettes sitzend, den Scheuerlappen auf ihrem Schoß, fragte Quiera mich, wie die Namen der Tornados zustande kämen. Ich erwiderte, da ich kein Meteorologe sei, könne ich ihr darauf keine ordentliche Antwort geben. »Einen sollten sie Quiera nennen«, befand sie, bevor sie sich wieder an die Arbeit machte.
    Der Himmel verdüsterte sich zusehends. Die meisten Einwohner waren nach Georgia geflüchtet, und die Jacksons schickten sich an, zu Verwandten nach Colorado zu fahren. Das
Espadon
war so gut wie ausgestorben, weil die Alten aus einem letzten Überlebensinstinkt heraus die Insel verlassen hatten. Bloß eine depressive Frau namens Marilyn leistete mir abends in der Karaoke-Bar Gesellschaft. Ihre Flasche
Regal
-Bier brachte sie selbst mit. Die arme Frau tat mir leid, dennoch konnte ich mich nicht dazu durchringen, an ihrer Seite zu bleiben, was nicht daran lag, dass ich um jeden Preis weiterleben wollte, sondern daran, dass ich nunmehr von der Vorstellung heimgesucht wurde, wie Zoë mitten im Atlantik ertrank. Daher wünschte ich Marilyn viel Glück und fuhr auf die Südseite der Insel, um Zoë abzuholen, bevor es zu spät war. Nachdem ich sechs Bars abgeklappert und ebenso viele Gläser
Wild Turkey
getrunken hatte – der Gedanke, irgendwo reinzugehen und nichts zu konsumieren, ist mir unangenehm –, machte ich sie endlich ausfindig. Pflichtbewusst wischte Zoë gerade mit einem Lappen den Tresen ab, obwohl niemand mehr da war, der ihn bekleckern konnte.
    Â»Dich zu sehen, überrascht mich nicht«, sagte sie.
    Â»Du hast sicher von dem Tornado gehört, schätze ich.«
    Â»Ich lass mir doch von einer Böe keine Angst einjagen!«
    Â»Aber immerhin haben sie die Evakuierung der Insel angeordnet ...«
    Â»Wen meinst du mit ›sie‹?«
    Â»Keine Ahnung«, entgegnete ich, »die für Tornados zuständigen Beamten halt.«
    Sie machte es sich in dem alten malvenfarbenen Sessel bequem, der in der Mitte des Raumes stand und bei dem man schon an der einen oder anderen Stelle den darunterliegenden Schaumstoff erkennen konnte, und zündete sich einen Joint an. Das Licht des einzigen Fensters fiel auf ihr Gesicht und machte die Partikel, die in der Luft schwebten, und die Rauchschwaden um ihren Kopf herum sichtbar.
    Â»Wir müssen weg, hier kannst du nicht bleiben.«
    Â»Und wohin genau soll’s gehen?«
    Â»Na ja, ich habe gedacht, wir könnten nach Kanada fahren ... Dort soll es sehr schön sein.«
    Sie runzelte die Stirn.
    Â»Aber da ist doch nichts

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